Mehrgenerationenplatz Frickenhausen
Allgäu und Schwaben: Christof Wegner

Mann in einer grünen Hängematte inmitten einer Blumenwiese

© Stefanie Vögele, Landratsamt Unterallgäu

Wenn er erstmal loslegt, gibt es kein Halten mehr. Das Foto in der Hängematte? Muss warten. Vorrang haben die Margeriten. „Kommt mal mit, das muss ich euch zeigen“, sagt Christof Wegner. Man spürt: Hier ist jemand ganz in seinem Element. Christof Wegner lebt die Natur, liebt den Garten. Auch deshalb haben ihn Markus Orf und Bernd Brunner, beide „Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege“ im Unterallgäu beziehungsweise in den Landkreisen Lindau und Oberallgäu, als Gartenbotschafter für das Allgäu und ganz Schwaben auserkoren.
Herr Wegner, welche Rolle spielt der Garten allgemein in Ihrem Leben?
Aufgewachsen bin ich in einem Dorf im Rheinland. Die Nachbarn lebten in ihrer Freizeit in ihren Gärten. Mit Gelassenheit und Freude pflanzten, ernteten und bearbeiteten sie ihr Gemüse und Obst. Beeindruckend war für mich, dass das Saatgut von den Großeltern weiter vererbt wurde. Diese Gärten funktionieren noch heute - Gärten, die den Kreislauf der Natur widerspiegeln. Ein guter Grund für mich, eine Gärtnerlehre zu beginnen. Bis heute darf ich immer wieder Neues lernen. Garten ist Arbeit und Spiel zugleich. Der Garten vermittelt, im Leben zu sein. Unser Leben sollte geprägt sein von gesunden Böden, Wasser und Samen. Wer mit seinen Händen begreift, spürt den Sinn seines Tuns.
Was macht den Garten oder Park aus Ihrer Sicht als Gartenlandschafter besonders?
Wir sind hier im Garten „Lebensraum Dorf“ in der Daxberger Straße in Frickenhausen im Unterallgäu. Gepflanzt wurden hier 34 Bäume. Jeder Baum steht für eine Familie im Dorf. Gepflanzt und finanziert haben die Familien ihre Bäume selbst. Im Laufe der Jahre verbinden sich die Wurzeln und Baumkronen zu einer Gemeinschaft. Vom Wort Gemeinschaft wird die Gemeinde abgeleitet. Die Gemeinde Frickenhausen wird jedes Jahr weitere Bäume pflanzen als Zeichen unserer Gemeinschaft und um ein lebendiges Zeichen gegen den Klimawandel zu setzen. Die jungen Bäume sind umgeben von artenreichen bunten Blumenwiesen, eine Wohltat für Augen, Ohren und Nasen. Dieser Naturerlebnisraum ist für alle Generationen eine Einladung zur Erholung, zum Spiel und zur neugierigen Erkundung.
Was verbinden Sie persönlich mit dem Garten?
Es ist die Verbindung zwischen Mensch und Natur. Menschen aus dem Dorf bringen sich mit ein durch Arbeit und Ideen. Viele unserer Blumenwiesen sind durch Mähgutübertragungen entstanden, aus dem Ort, für den Ort. Das Gefühl entsteht, Schöpfer unseres Umfeldes zu sein. Gemeinsames Handeln und Verstehen kann Glücksgefühle hervorrufen, hier entsteht Kultur mit der Natur zusammen.
Was verbindet Sie mit der Region?
Die Region von der geologischen Seite zu verstehen ist ein wichtiger Schritt, aber auch von der Geschichte der Menschen her, die hier gelebt haben. Ein Beispiel, auf unsere Region bezogen: Was ist Nagelfluh? Wie ist er entstanden? Welche Art von Kies gibt es hier, wie ist er hier hingekommen? Wie sind die Hügel und Täler entstanden? Warum haben sich die Menschen hier angesiedelt? Warum gab es hier so viele Burgen? Woran haben die Menschen gelitten, an was haben sie ihre Freude gehabt? Es sind viele Fragen, die wir uns hier im Dorf stellen. Die Antworten geben uns Mut, das Richtige für die Zukunft zu tun. Mit Respekt und Einsicht, in der sich Mensch und Natur begegnen und verbinden.
Was sind Ihre Lieblingsecken im Garten?
Gestern war es der Platz unter der Linde zum Mittag- und Abendessen. Heute ist es der Platz unter den Walnussbäumen, die von Eichhörnchen gepflanzt wurden. Plätze, an denen man den Wind hören und fühlen kann. Blumenwiesen durchschreiten, ihre Farben und ihren Duft in mich aufnehmen und Insekten beim emsigen Arbeiten beobachten, ohne dabei an Kompliziertes denken zu müssen - das ist pure Freude!
Welche Pflanzen mögen Sie besonders und warum?
Ich mag Wildobst, zum Beispiel die Felsenbirne: weiße Blüte, leckere Beeren, aus denen man tolle Marmeladen herstellen kann, sie hat schönes buntes Herbstlaub. Genauso ist es mit der Kornelkirsche. Bei einer Neuanpflanzung empfiehlt sich eine Zwischensaat mit Kleinem Wiesenkopf, Petersilie, Wiesenkümmel, Wegwarte und Schafgarbe. Die nackte Erde trägt schnell wieder ein buntes Kleid, das die Insekten, aber auch die Menschen erfreut.
Was sind die Besonderheiten in den einzelnen Jahreszeiten? Spricht Sie eine Jahreszeit besonders an?
Im Winter ist die Vorfreude auf das Frühjahr groß. Bei uns im Dorf zieht die Natur im Frühling ihr Hochzeitskleid an. Die Farben weiß und rosa an den vielen Obstbäumen sind dominierend. Der Eifer des Gärtners sollte sich hier zurücknehmen, um mehr Zeit für Beobachtungen und Wunder zu haben. Hier können viele Fragen aus unserem eigenen Leben eine Antwort finden. In unseren Leben sehen wir viel, wir sollten aber wieder das Schauen lernen, hinspüren, um das steigende Wasser hinter der Rinde der Bäume oder das Gras wachsen zu hören. Zitronenfalter und Kohlweißlinge sind schon unterwegs.
Erst im Sommer sehen wir weitere Schmetterlingsarten wie das Pfauenauge oder den Bläuling, wenn wir artenreiche Naturgärten anlegen.
Im Herbst sind es die Kürbisse, Äpfel, Birnen und Rosenkohl, die unsere Gaumen erfreuen, bunte Blätter, die herabfallen und zu Kompost verarbeitet werden - im Vertrauen auf das nächste Jahr, um den Kreislauf wieder und doch auch ganz anders zu erleben. Dankbarkeit spüren, Erntedank lebendig erleben. Dazu braucht es gute Gedanken.
Der Winter, der die vielen Strukturen von Königskerze, Wegwarte, Nachtkerze und der Wilden Karde zeigt. Den Distelfink beobachten, der dankbar die Samen herauspickt. Die Weide, die uns in ihrer Rindenstruktur zeigt, wie sehr diese der Struktur des Wassers ähnelt.
Wir erkennen in den Jahreszeiten die Einheit und dass sich alles in Kreisläufen bewegt. Alle Jahreszeiten haben ihre eigene Schönheit und Aufgaben und sind deshalb „gleich“ gültig.
Warum lohnt es sich für Sie, mehr Zeit im Garten zu verbringen?
Vielleicht hilft es uns, wenn wir wissen, wo der Begriff „Garten“ herkommt. Mit Garten ist ursprünglich ein Stück Land gemeint, das mit Hilfe von Gerten umflochten wurde. Auch heute ist es noch so, dass dieses Stück Erde, das ich bewohne und meinen Garten nenne, meinem Willen unterliegt. Der Wille, etwas zu gestalten, liegt in jedem Menschen. Egal, ob ich einen Obst-, Natur-, Gemüse- oder Blumengarten anlege, er braucht meine Zuwendung und Liebe im Tun. Meine Einstellung zum Garten darf sich ändern, so wie sich alles auf dieser Erde ständig ändert. Der Garten steht im Dialog zum Nachbarn, zum Dorf, zur Stadt. Mein Denken wird als Handeln in meinem Tun sichtbar. Durch den Garten sind wir sozial vernetzt.
Welche Tipps haben Sie für andere Gartenfreunde?
Den Garten als Raum zu sehen, der mir die Freiheit gibt, Verantwortung zu leben. Ich bekomme eine sichtbare Antwort auf mein Handeln. Die Erde das ganze Jahr über mit einem Pflanzenkleid zu versehen, das ist eine kreative Möglichkeit, mich auszudrücken. Es ist ein Prozess zu verstehen, was ich nehmen darf und was ich geben muss, um in einer guten Balance zu sein. Dieses Bild überträgt sich im Laufe der Zeit auf mein Verhalten in der Familie, in der Arbeit, aber auch auf mein Handeln beim Einkauf als Verbraucher und meinen Umgang als Individuum in der Gemeinschaft. Die Liebe zum Garten überträgt sich auf das Leben.