Veitshöchheimer Obstbautag 2015: aktuell, informativ, gut besucht

Teilnehmer Obstbautag

Die im zweijährigen Turnus stattfindende Veranstaltung lockte mit Themen rund um das Steinobst ca. 150 Teilnehmer in die Aula der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim.

Hubert Siegler vom Sachgebiet Obstbau und Baumschulen hatte ein Tagungsprogramm mit sehr aktuellen, brisanten Themen und hoch interessanten Referenten für Praktiker aus nah und fern zusammengestellt. Dabei standen Informationen zu Steinobst, v.a. Süßkirschen, und der derzeit sehr große Probleme für die Obstpraxis bereitenden Kirschessigfliege auf der Agenda.

Helmut Jäger, Vorsitzender des Bayer. Erwerbsobstbau-Verbandes e.V.Zoombild vorhanden

Helmut Jäger, Vorsitzender des Bayer. Erwerbsobstbau-Verbandes e.V

Als Mitveranstalter dieser Fachtagung führte der Bayerische Erwerbsobstbau-Verband e.V. (B.E.O.V.) seine jährliche Mitgliederversammlung im Verlaufe des Obstbautages durch. Neben aktuellen Themen aus der Verbandsarbeit, die auch gut diskutiert wurden, wurden die Ergebnisse der Vorstandswahlen, des Jahresabschlusses 2014 und der Etatentwurf 2015 vorgestellt und auf die Veranstaltungen 2015 hingewiesen.

Zum ersten Mal konnte der "neue" Präsident der LWG, Dr. Hermann Kolesch, diese Obstveranstaltung eröffnen und zusammen mit dem B.E.O.V.-Vorsitzenden Helmut Jäger aus Lindau die zahlreichen Teilnehmer begrüßen.

Weigi-Kirschenunterlagen; Erfahrungen im Versuchsanbau

Hubert Siegler berichtete über die brandneu für den Obstbau freigegebenen Weigi-Süßkirschenunterlagen. Nach über 10-jähriger Testphase konnten einige Weigi-Unterlagen überzeugen. Die Ergebnisse aus Veitshöchheim sind vielversprechend, zumal sie überwiegend auch von anderen Versuchsstandorten in Thüringen, Oberfranken, Südbaden und sogar Südfrankreich in den Kernaussagen bestätigt werden konnten. Weigi 1 und Weigi 2 bilden schwach wachsende Bäume aus, fördern den Ertrag und das Fruchtgewicht der Edelsorten und sind daher für einen modernen Erwerbsobstbau geeignet.

Kirschenanbau; Erfahrungen eines Praktikers für einen erfolgreichen Anbau

Damit dies auch betriebswirtschaftlich erfolgreich gestaltet werden kann, hatte der 2. Referent eine Palette an hilfreichen Tipps parat. Aus langjähriger Erfahrung mit stets realisierten Innovationen in seinem Betrieb berichtete Peter Stoppel aus Kreßbronn am Bodensee. Der Besitzer eines großen Obsthofes mit u.a. 6 ha Kirschen im Bestand (und weiteren in Planung) gab Einblick in seine Kirschenanlagen mit Bewässerung, Fertigation, Regenschutzsystemen und künftigen Insektenschutznetzen.

Spätfrösten entgegnet er in Frostnächten mit Frostbustern (mit Gas betriebenen, entlang der Reihe fahrenden und Warmluft abgebenden Anbaugeräten), wobei das geschlossene Regenschutzdach die Wärme besser in der Kirschenanlage hält. Neben Hinweisen zu Schnitt und Erziehung von Kirschbäumen galt ein wichtiger Aspekt der Ernte und Lagerung von Früchten. Die Kirschen werden sofort nach der Ernte sortiert und einer Eiswasserkühlung unterzogen. So können sie einige Wochen bei 0 °C gelagert und stets knackig frisch mit allen wertgebenden Inhaltsstoffen vermarktet werden.

Hubert Siegler bedankt sich bei Peter Stoppel für den VortragZoombild vorhanden

Hubert Siegler bedankt sich bei Peter Stoppel für den Vortrag

Ein derartiger Spitzenbetrieb produziert fast ausschließlich Premiumqualität: Sein Anspruch sind Sorten mit mindestens 30 mm Fruchtdurchmesser. Seine Absatzpreise verriet er nicht, doch Insider wissen, dass er die für eine derartige Qualitätsproduktion erforderlichen zahlreichen Maßnahmen mit hohen Investitionskosten sehr schnell wieder einspielt. Da er stets nach besseren Kirschensorten sucht, züchtet Peter Stoppel auch. Wie nicht anders zu erwarten, sind ihm dabei wohl einige große "Würfe" im Früh- und Spätbereich gelungen, die sich in einigen Jahren im Sortiment wiederfinden könnten.
Übrigens: Peter Stoppel besitzt auch die Sortenrechte der Weigi-Unterlagen. Er hat sie zwar nicht selbst gezüchtet, aber sein "Auge" hat die Bedeutung dieser Unterlagen schon damals erkannt.

Neue Strategien zur Bekämpfung der Kirschessigfliege

Uwe Dederichs, Landratsamt Breisgau-HochschwarzwaldZoombild vorhanden

Uwe Dederichs, Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald

Nachdem der eingeschleppte Schädling Kirschessigfliege seit 2013, in Bayern v.a. seit 2014, sehr große Probleme im Anbau von Beeren-, Steinobst und Trauben bereitet, stellte Uwe Dederichs vom Pflanzenschutzdienst Erwerbsobstbau Südbaden am Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, wo der Befall 2014 am stärksten und bereits 2013 aufgetreten war, Lösungsansätze vor. Nur ein Bündel aus mehreren Maßnahmen wie Schutznetze, intensiver Pflanzenschutz, genaue Kontrollen in den Obstanlagen, engere Pflückintervalle, ggf. Kühlung von Früchten und komplettes Abernten kann hilfreich sein.

Netze: Möglichkeiten zur Abwehr der Kirschessigfliege

Rainer Weiss, Fa. VOENZoombild vorhanden

Rainer Weiss, Fa. VOEN

Da bei Süßkirschen der Einsatz von Hagel- und Regenschutzsystemen in modernen Anlagen Standard (geworden) ist, können derartige Systeme durch Nachrüstung bzw. Ergänzung mit Insektenschutznetzen die Kirschessigfliege abwehren helfen.
Die Vertreter der Firmen BAYWA und VÖEN, Rudolf Holzwarth aus Tettnang bzw. Rainer Weiss aus dem Landkreis Ravensburg, stellten ihre positiven Erfahrungen und mögliche Weiterentwicklung von Schutzsystemen vor. Herr Weiss konnte bereits von 2-jährigen Ergebnissen aus Obstanlagen mit jeweils Nullbefall an Kirschessig- und Kirschfruchtfliegenlarven berichten, die mit speziellen Insektenschutznetzen umgerüstet wurden.
Einigkeit herrschte, dass diese Maßnahmen nicht in allen Kirschen- und Beerenanlagen praktiziert, doch bei Neuanlagen in die Planung einbezogen werden kann. Beide Firmen waren mit kleinen Ständen im Foyer vertreten und informierten in den Pausen die Teilnehmer persönlich zu deren weiteren, speziellen Fragen.

Scharka-hypersensible Zwetschgenunterlagen

Dr. Michael Neumüller, Bayerisches Obstzentrum HallbergmoosZoombild vorhanden

Dr. Michael Neumüller, Bayerisches Obstzentrum Hallbergmoos

Auch Dr. Michael Neumüller vom neu gegründeten Bayerischen Obstzentrum Hallbergmoos stellte im Foyer einen Teil seiner neu gezüchteten Apfel- und Birnensorten vor. Besonderheiten wie allergikerfreundliche oder rotfleischige Äpfel als Tafelware oder deren hervorragende Verarbeitungsprodukte - unter anderem Apfelsaft rot (pur) oder rosé (in Mischung) sowie rote Apfelchips - konnten verkostet und somit mancher Skeptiker von den guten Fruchteigenschaften überzeugt werden.
In seinem Referat berichtete Dr. Michael Neumüller über die neuen, von ihm an der TU München-Weihenstephan gezüchteten, scharka-hypersensiblen Zwetschgenunterlagen der Docera- und Dospinaserie. 'Docera 6' konnte er bezüglich Wuchs, Ertrag und Fruchtqualität positiv dar- und einen Vergleich mit heutigen Zwetschgenunterlagen wie Wavit, Weiwa und St. Julien A herstellen. Die von Dr. Hartmann gezüchteten hypensensiblen Zwetschgensorten (wie Jojo, Jofela, Jolina) werden nur auf scharka-hypersensiblen Unterlagen auf den Markt gebracht. Dies ermöglicht in Scharkabefallsgebieten einen gesicherten Anbau von Zwetschgen.

Unterlagenversuch Zwetschgen und bundesweiter Versuch Aprikosenunterlagen

Hubert Siegler, LWG Abt. Obstbau und BaumschulenZoombild vorhanden

Hubert Siegler, LWG Abt. Obstbau und Baumschulen

Zum Abschluss der Vortragsreihe stellte Hubert Siegler 2 Unterlagenversuche vor. Einen bundesweiten Aprikostenunterlagenversuch wertet der Referent aus. Nach 3 Standjahren mit äußerst strengen Wintern 2011/12 und 2012/13 (an 2 ostdeutschen Standorten bis -25 °C) liefert dieser Versuch schon ein eindeutiges Ergebnis: Die Unterlage Wavit hat unter diesen Umständen keine Baumausfälle zu verzeichnen. Da sie sich auch in anderen untersuchten Parametern sehr günstig erweist, ist sie für Aprikosen die 1. Wahl. Wavit kann das Anbaurisiko (Baumausfälle) von Aprikosen deutlich senken.
Ein Zwetschgenunterlagenversuch lieferte ebenso eindeutige Aussagen. In einem Praxisbetrieb und zugleich im Versuchsgelände der LWG fielen Bäume der Zwetschgenunterlagen Fereley und St. Julien 655/2 fast ganz oder erheblich aus. Sie sind daher für den fränkischen Anbau abzulehnen. Die weiteren Prüfunterlagen Wavit, St. Julien A und Wangenheims-Sämling erwiesen sich als leistungsfähig, bestandssicher und werden schon länger für die Praxis empfohlen.

Helmut Jäger, Vorsitzender des Bayerischen Erwerbsobstbau-Verbandes e.V., beschloss eine informative Veranstaltung für wohl alle Besucher, aus der jeder Teilnehmer Möglichkeiten der Realisierung für seinen Betrieb mit nach Hause nehmen konnte.