Versuchsergebnisse
Robuste und leistungsstarke Zwetschenunterlagen

2016 G4 Zwetschgen
Wuchs- und Ertragsleistung, Fruchtqualität, Ausläuferbildung, aber auch Robustheit und Bestandssicherheit sind entscheidende Kriterien einer Unterlagenwahl. An der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim gaben verschiedenen Unterlagenversuche seit den 1990er Jahren Aufschluss. Die Unterlagenempfehlung konnte aktualisiert werden.
Abgestorbene Zwetschenbäume konnten verstärkt ab Mitte/Ende der 1990er Jahre in Franken, Baden und im Rheinland festgestellt werden. Zunächst wurde ein Sorteneinfluss vermutet und auch Baumschulen verdächtigt, bereits infizierte Jungbäume ausgeliefert zu haben. Der im Dezember 1996 angelegte erste Zwetschen-Unterlagenvergleich im LWG-Versuchsgelände Stutel konnte jedoch einen Unterlageneinfluss nachweisen.
Folgende Sorten und Unterlagen wurden einbezogen: 'Katinka', 'Hanita', 'Empress', 'Cacaks Fruchtbare', 'Valjevka', 'Top', 'Elena', 'Presenta', 'Hauszwetschentypen MaRe' und 'Etscheid' - jeweils auf den Unterlagen St. Julien INRA 655/2, Jaspy®/Fereley(S), Prunus-Hybride 'Ishtara'(S), Myrobalana, Prunus tomentosa Weito®/Klon 226. Zusätzlich 'Hermann' mit "655/2" und Myrobalana.
Weitere Daten: Pflanzbestand 4,4 m x 3,0 m, leichter Boden: sandiger Lehm, 50% der Bäume mit Tröpfchenbewässerung, Erziehung als "extensive" Spindel.
Pflanzenschutz erfolgte praxisüblich gemäß IP-Richtlinien - ohne besondere, vorbeugende Maßnahmen wie Weißeln des Stammes oder Kupferbehandlungen über Winter.
Im Sommer 1998 (zweites Laub) waren erste Baumausfälle - nur auf der Unterlage Fereley, quer über alle Sorten - zu verzeichnen. Es konnte der Erreger Pseudomonas syringae pv.syringae nachgewiesen werden, der zusammen mit Pseudomonas syringae pv. morsprunorum das "Zwetschensterben" nach Eindringen über winzige Wunden/Risse/Schnittstellen auslösen kann. An der Südostseite der Unterlage Fereley waren Frostrisse zu verzeichnen, so dass der Erreger über Winter 1997/98 in die Pflanze eindringen und Sie infizieren konnte. In den Folgejahren fielen die weiteren Fereley- und später auch verstärkt "655/2" - Bäume aus - bei beiden Unterlagen zuerst in der nicht bewässerten Variante.

Typische Symptome

  • Rindeneinsenkungen am Stamm (Stamm: kantig, abgeflacht, unrund). Drück man auf diese Stellen, so sind Sie etwas weicher.
  • Verbräunungen unter der Rinde (scharf begrenzter Übergang zum gesunden Holz)
  • Vergilbung und Vertrocknung der Blätter im Laufe des Sommers
  • Absterben des Baumes
  • Sekundärer Befall mit Valsa bzw. Runzligem Apfelsplintkäfer oder Holzbohrern

Tabelle 1

Baumausfälle durch "Zwetschensterben" (Pseudomonas syringae), Versuchsstandort Stutel, LWG Veitshöchheim, Durchschnitt von 10 (bzw. 11) Sorten
UnterlageTröpfchenbewässerungBeobachtungszeitraum *1)Anzahle VersuchsbäumeBaumausfälle absolutBaumausfälle relativ (%)
St. Julien INRA 655/2nein12/1996 - 12/200340922,5
 ja12/1996 - 10/2005501836
 gesamt / Ø 902730
Prunus tomentosa Weito (Klon 226)nein12/1996- 12/200330  
 ja12/1996 - 10/200544511,4
 gesamt / Ø 7456,8
Jaspy®/Fereley(S)nein12/1996 - 12/2003403997,5
 ja12/1996 - 10/2005363391,7
 gesamt / Ø 767294,7
Prunus-Hybride Ishtara(S)nein12/1996 - 12/20034012,5
 ja12/1996 - 10/20054412,3
 gesamt / Ø 8422,4
Myrobalananein12/1996 - 20034012,5
 ja12/1996 - 12/200456712,5
 gesamt / Ø 9688,3
*1) Rodung der Versuchsbäume 12/2003 in der nicht bewässerten Variante

Zwetschen-Unterlagen-Versuch zwei

Da im Versuch eins ein eindeutiger Einfluss der Unterlage festgestellt werden konnte, wurde ein Folgeversuch angezogen. Die einjährige Veredelung wurde im März 2004 an der LWG , Versuchsbetrieb "Stutel", im Nachbau (4,0 m x 2,5 m) und parallel dazu in einer befallenen Praxisanlage in Astheim, Landkreis Kitzingen (4,0 m x 2,0 m), in Ausfallstellen nachgepflanzt.
Beteiligte Sorten: 'Cacaks Fruchtbare', 'Elena', 'Katinka', 'Hanita', 'Hauszwetsche/Schüfer', 'Topper', Aprikose 'Hargrand', Mirabelle 'von Nancy', jeweils mit den Unterlagen: Wavit, Wangenheims-Sämling, St. Julien A 655/2, Fereley; je Sorten-Unterlagen-Kombination in verschiedenen Stückzahlen.
Pflanzenschutz erfolgte praxisüblich gemäß IP-Richtlinen und ohne besondere Maßnahmen gegen Pseudomonas syringae.

Abbildung 1

Einfluss von Unterlagen auf das "Zwetschensterben", Versuch zwei;
Summe beider Standorte (Stand: Oktober 2008, fünftes Laub)

2016 G4 Zwetschenbaumausfälle_2008

Da sich Ertragsverhalten u.a. wichtige Parameter ebenfalls bis dato positiv dargestellt haben, wurden Wavit, Wangenheims-Sämling und die in Franken stets positive bewertete St. Julien A 655/2 - auch wegen der vielen, v,a. in zunehmenden Standjahren vermehrt aufgetretenen Wurzelausläufer- und Fereley verzichtet. Auch wenn es Gebiete gibt, in denen Fereley "funktioniert", so stellt Sie ein Risiko dar in Betracht der verstärkt auftretenden Klima-extreme (Frostrisse) und der Zunahme der veschiedenen Pseudomonas-Erreger.
Um die Leistungsfähigkeit der drei verbliebenen Unterlagen zu eruieren wurde der Versuch ohne Fereley und -nach 2010 auch ohne St. Julien 655/2 weitergeführt. Vor dem Roden von "655/2" wurde diese bekannte Standardunterlage mit den verbliebenen, z.T. „neuen" Unterlagen noch verglichen. Dabei lag nach fünf Ertragsjahren im Durchschnitt aller Sorten "655/2" mit 77 kg/Baum vor St. Julien A (73 kg/Baum), Wavit (68 kg/Baum, Wangenheim-Sämling (58 kg/Baum). Der Grund für diese Ertragsunterschiede liegt darin, dass die beiden St. Julien-Typen den stärksten Wuchs (Aspekt: Stammquerschnittsfläche) zeigten (61 bzw. 63 cm²). Wavit (52 cm²) und Wangenheim-Sämling (50 cm²) fielen deutlich ab.
Jedoch bezüglich spezifischem Ertrag lagen Wavit (1,29 kg/cm²) und St. Julien 655/2 (1,25 kg/cm²) gleich; beide minimal besser als St. Julien A und Wangenheim-Sämling (1,15 bzw. 1,16 kg/cm²).
Grob gesagt, waren Wavit und St. Julien A in diesem Vergleich zu St. Julien 655/2 leistungsmäßig „im grünen Bereich". Bei Wangenheim-Sämling handelt es sich um einen wuchs- und somit ertragsschwächeren Typ, der jedoch in der Behangdichte fast gleich ist und durch engere Pflanzung flächenmäßig sogar bessere Erträge liefern kann.

Versuchsende 2013 nach dem zehnten Standjahr

Abbildung zwei zeigt, dass St. Julien A hinsichtlich Stammquerschnittsfläche spürbar stärker wächst als Wavit und Wangenheims-Sämling. Da Wavit den höchsten marktfähigen Einzelbaumertrag (134 kg) im Schnitt von sieben Sorten in acht Ertragsjahren erzielt, ist auch dessen

Abbildung 2

Stammquerschnittsfläche und marktfähiger Einzelbaumertrag verschiedener Zwetschenunterlagen nach dem zehnten Laub 2013; Ø von sieben Sorten.

2016 G4 Stammquerschnittsfläche_2

spezifischer Ertrag (Behangdichte), bezogen auf die Stammquerschnittsfläche, mit 1,52 kg/cm² am höchsten (vs. Wangenheim-Sämling 1,38 und St. Julien A 1,32 kg/cm²).
Bezieht man den spezifischen Ertrag auf das Kronenvolumen, das jedoch durch Schnitt beeinflusst ist (fast gleiche Baumhöhen und -durchmesser), so liegen Wavit und St. Julien A gleich.

Im 100-Fruchtgewicht (Ø 2007 bis 2013, Ø sieben Sorten) bestätigt St. Julien A (2921 g) seinen positiven Einfluss. Wangenheim-Sämling überrascht mit dem gleichen Wert (2924 g); Wavit fällt durch die genannte höhere Behangdichte ab (2816 g). Die Sorten lagen über 3000 g, außer 'Katinka' (2525 g) und Mirabelle 'von Nancy' (1235 g). Starke Behänge von 'Topper', 'Elena', 'Cacaks Fruchtbare', 'Hanita' und 'Katinka' standen schwächere der wuchsstarken Sorten 'Nancy' und 'Hauszwetsche Typ Schüfer' gegenüber.

Fazit der Versuche

Auf Grund vorhandener, zugleich leistungsfähiger Alternativen führen totale bzw. erhebliche Baumausfälle von Fereley bzw. St. Julien 655/2 zu einer ablehnenden Empfehlung, die bei 655/2 durch Ausläuferbildung noch bekräftigt wird.
Im Vergleich zur bekannten "655/2" trägt St. Julien A ebenso gut (Grund: etwas stärkerer Wuchs), hingegen Wavit nur aufgrund des schwächeren Wuchses weniger. Die Behangdichte (spezifischer Ertrag) ist jedoch gleich. Durch dichtere Pflanzung können Wavit und Wangenheim-Sämling den Ertragsunterschied zu "655/2" ausgleichen oder sogar überholen.
Bezüglich Fruchtgewicht erreicht Wangenheim-Sämling das Niveau der wiederholt günstig beeinflussenden St. Julien A. Wavit fällt durch stärkeren Behang um 1 g pro Frucht ab. Dennoch sind einzelne Kombinationen wie Wavit/'Hauszwetsche Typ Schüfer' mit 122 kg/Baum und 32 g/Frucht den anderen überlegen.
Bei kleinfruchtigen Sorten wie 'Katinka' erweisen sich St. Julien A und Wangenheim-Sämling hingegen etwas vorteilhafter als Wavit.
Im Gegensatz zu 655/2 traten Ausläufer/Stockausschläge bei Wavit, Wangenheim-Sämling und St. Julien A nicht oder nur vereinzelt (z.B. bei wuchsstärkeren Sorten wie 'Hauszwetsche Typ Schüfer', Mirabelle 'von Nancy', 'Elena') auf.
Alle drei im Versuch verbliebenen Unterlagen sind im modernen Zwetschenanbau mit stark fruchtenden Sorten günstig einzustufen und somit zu Recht in die bayerische Empfehlung gekommen. Die gute Bestandssicherheit (wenig Baumausfälle) bekräftigt diese Entscheidung. Bei Wangenheim-Sämling ist eine gewisse Vorsicht angebracht. Daher wurde ein Folgevergleich zweier unterschiedlich wüchsiger Wangenheim-Sämlingsauslesen der Baumschule Lodder mit Weiwa® (in-vitro-vermehrte Sorte 'Wangenheim' als Unterlage) angelegt. Aussagen hierzu sind noch zu früh.
In der Sortenprüfung Zwetschen, Pflaumen, Mirabellen stehen alle neu zu bewertenden Sorten bzw. Klone inzwischen auf Wavit; neuerdings z.T. auch auf Weiwa; ältere Varietäten auch auf St.Julien A. Bei all diesen Unterlagen sind keine Unterlagenbedingte Baumausfälle und Ausläufer aufgetreten. Sie liefern auch je nach Sorte/Klon sehr ansprechende Erträge und Fruchtqualitäten.
Da sich Wavit in anderen Versuchsanstellungen ebenfalls positiv darstellt, u.a.:“Dr. Leonhard Steinbauer: Fünfkampf der Zwetschenunterlagen, OBSTBAU 01/2016“, zeugt dies von deren großen Anbaubreite unter verschiedenen Bedingungen. Mit Wavit, Wangenheims-Sämling und St. Julien A stehen nicht nur für den fränkischen Raum drei leistungsstarke und zugleich robuste Unterlagen zur Verfügung. Diese könnten künftig um Scharka-hypersensible, aber auch weitere Unterlagen (Weiwa, spezielle Wangenheims-Sämlingsauslesen) ergänzt werden.
Aprimira St Julien A Sortenpruefung

Aprimira St. Julien A Sortenprüfung

2016 G4 Wavit Hauszwetschge Schuefer

Wavit Hauszwetsche Schüfer

2016 G4 Toptaste Wangenheim Saemling

Toptaste Wangenheim Sämling

2016 G4 Zwetschgensterben ausgefallene Parzelle Fereley

Zwetschensterben ausgefallene Parzelle Fereley

2016 G4 Zwetschgenbaum durch Pseudomonas abgestorben

Zwetschenbaum durch Pseudomonas abgestorben