Nachbericht
Fachtagung Beet- und Balkonpflanzen am 5. Juli 2018

Drei Fachbesucher begutachten verschiedene Blumen auf dem Feld
Ein Sommer ohne Balkonblumen? Unvorstellbar! Doch die Anforderungen an die Balkon- und Gartenlieblinge steigen: Wetterkapriolen in Form von Starkregen, Hitzeperioden und starker Sonneneinstrahlung setzen den Pflanzen zu. Empfindliche Arten und Sorten geraten da schnell ins Abseits. Gleichzeitig zeigen Verbraucher und Handel chemischen Pflanzenschutzmitteln die "Rote Karte". Gefordert wird eine naturnahe Produktion: Nützlinge, Mikroorganismen und "Echte Gärtner" sind Trend. Daher lautete das Motto der diesjährigen Tagung: "Natürliche Balkonblumen? – Aber natürlich!"
Rund 400 Fachbesucher folgten der Einladung zum Beet- und Balkonpflanzentag der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) nach Veitshöchheim, um sich im Rahmen von Fachvorträgen am Vormittag, der großen Firmenausstellung am Nachmittag und den Versuchsflächen der LWG über die neuen Trends der Gartenbaubranche zu informieren und auszutauschen.
Die Tagung eröffneten Gerd Sander, Leiter des Instituts für Erwerbs- und Freizeitgartenbau und Roland Albert, Präsident des Bayerischen Gärtnerei-Verbandes e. V.. Roland Albert betonte in seiner Ansprache, das Politik und Gesellschaft die Diskussion um den Pflanzenschutzmitteleinsatz wieder mehr sachbezogen und weniger emotional führen sollten. Im Anschluss der kurzen Eröffnungsansprache leitete Gerd Sander direkt zu den Vorträgen über.

„Natürlich mit Nützlingen!“

Mit immerhin 58 % setzen bereits mehr als die Hälfte der Erzeugerringbetriebe in Bayern Nützlinge in der Produktion und im Verkauf ein, berichtete Gartenbau-Ingenieur Wolfgang Ahlvers stellvertretend für die Bayerischen Zierpflanzenbauberater. Doch für die sieben Zierpflanzenexperten aus Süd- und Nordbayern ist dies noch lange nicht genug. Auch gilt es, den Kunden den biologischen Pflanzenschutz transparent zu machen: "Tue Gutes und berichte darüber"! Gemeinsam mit dem Bayerischen Gärtnerei-Verband e. V. starteten in diesem Frühjahr die Bayerischen Zierpflanzenbauberater mit ihren Mitgliedsbetrieben eine "Nützlings-Power-Kampagne". Einerseits um den biologischen Pflanzenschutz in den Betrieben auszuweiten und andererseits dies auch bei Kunden und Freizeitgärtnern öffentlich zu machen. In diesem Zusammenhang legte Wolfgang Ahlvers - passend zum Tagesmotto - den Schwerpunkt auf die zahlreichen Vorteile des Nützlingseinsatzes und berichtete von Betrieben die bereits erfolgreich mit dem Leitspruch „Natürlich mit Nützlingen!“ werben.
Auch an der LWG Veitshöchheim wird der biologische Pflanzenschutz intensiv praktiziert. Gärtnermeister Thomas Schneider schilderte seine Erfahrungen von der diesjährigen Balkonpflanzen-Anzucht. Insbesondere die Anforderungen und die praktische Durchführung einer offenen Blattlauszucht auf der tropischen Fingerhirse ([i]Eleusine[/i]) fand großes Interesse beim Fachpublikum. Für dieses Verfahren wurde Fingerhirse als Futterpflanze für Getreideblattläuse an der LWG selbst vermehrt und angezogen. Die Getreideblattläuse dienten anschließend zum Aufbau einer stabilen Schlupfwespen-Population in den Produktionsgewächshäusern.

Effektive Mikroorganismen

Einen Einblick in die aktuelle Forschungsarbeit zum Einsatz effektiver Mikroorganismen an Zierpflanzen-Kulturen gaben die Gartenbau-Ingenieurinnen Eva-Maria Geiger und Barbara Schmitt. Sowohl bei Versuchen mit [i]Viola[/i] und über Stecklinge vermehrte Gartendahlien zeigte sich bei einer regelmäßigen Behandlung der Pflanzen mit einem Cocktail aus Boden- und Pflanzenhilfsstoffen - basierend auf Effektiven Mikroorganismen - eine deutliche Minderung des Befalls mit Echtem Mehltau. Allerdings nahm hinsichtlich der Pflanzengesundheit die richtige Sortenwahl eine herausragende Rolle ein: So blieben von 12 getesteten, starkwüchsigen Dahlien-Sorten zwei Sorten der 'Dalaya'-Serie von Selecta One ('Dalaya Bali' und die neue rot blühende Sorte 'Dalaya Goa') auch in den unbehandelten Kontrollparzellen nahezu komplett frei von Echtem Mehltau und zeigten eine sehr hohe Toleranz gegenüber dem Erreger.

Wer kann überzeugen?

Vor allem jedoch rückte im Verlauf des Tages das Beet- und Balkonpflanzensortiment für 2019 in den Mittelpunkt des Interesses. Die Anforderungen des Handels, der Produzenten und der Verbraucher an neue Sommerblumensorten nehmen zu: So wird unter anderem großen Wert auf eine einfache, schnelle Kultur mit hoher Produktivität und früher Vermarktungsreife gelegt, als auch auf eine gute Transport- und Verkaufseignung. Der Verbraucher wünscht sich Sorten mit guter Pflanzengesundheit, hoher Toleranz gegenüber Krankheiten, Schädlingen und den Wetterkapriolen des Sommers. Gleichzeitig sollen die neuen Sorten eine hohe Blühbeständigkeit aufweisen, pflegeleicht sein und möglichst noch einen Zusatznutzen aufweisen: Pflanzen mit hoher Attraktivität für Bestäuber-Insekten, vor allem für Bienen, sowie Duftpflanzen stehen bei den Freizeitgärtnern hoch im Kurs. Diesbezüglich präsentierte Eva-Maria Geiger dem fachkundigen Publikum eine Auswahl der aktuell 830 im Test befindlichen neuen Sorten, die in der Produktion und in der frühsommerlichen Gartenleistungsprüfung an der LWG bisher besonders überzeugten.

Die Macht der Farben

Handel und Verbraucher fordern verstärkt rückstandsfreie Pflanzen bei gleichbleibend hoher Qualität. Pflanzenschutzmittel und Wuchsregulatoren werden zunehmend limitiert bzw. stehen nicht mehr zur Verfügung. Infolgedessen benötigen Produzenten Kulturstrategien, die im Rahmen einer hohen Qualitätsproduktion eine verminderte Anwendung bzw. einen Verzicht von Pflanzenschutzmitteln inkl. Hemmstoffen zulassen.
Hannes Seidel, Diplom-Biologe an der LWG, berichtete diesbezüglich von den Fortschritten des aktuellen Forschungsprojektes „Rückstandsfreie Pflanzenproduktion mit moderner LED Technik“. Die Ergebnisse des Projektes zeigen Potenzial! Belichtungsstrategien mit monochromatischem Licht in Einzelfarben können eine wuchsregulierende und qualitätsfördernde Wirkung ausüben. Allerdings reagieren Pflanzengattungen und Arten sehr unterschiedlich: Während Jungpflanzen von Zauberglöckchen ([i]Calibrachoa[/i]) unter roten LEDs kompakten Wuchs zeigten, neigten Topfanemonen bei einer solchen Belichtungsstrategie zu qualitätsminderndem Längenwachstum. Bei dieser Pflanzenart führte jedoch die Belichtung mit blauen LEDs zu guten Pflanzenqualitäten mit kompaktem Pflanzenaufbau und kurzen, stabilen Blütenstielen. Die unterschiedlichen Ergebnisse aus den bisherigen Versuchen weisen auf einen hohen Forschungsbedarf hinsichtlich Lichtreaktionen bei unterschiedlichen Kulturpflanzen hin.

„MainStar 2018“

Zum Branchentreffen am Nachmittag präsentierten 53 Züchter- und Jungpflanzenfirmen, sowie weitere Firmen der Grünen Branche aus Deutschland, den Niederlanden, Italien, Frankreich und Österreich im Rahmen einer großen Firmenausstellung in den Gewächshäusern der LWG ihre Sorten- und Produkt-Neuheiten für die Saison 2019.
Neben der Firmenausstellung konnten sich die Fachbesucher auf den Versuchsflächen der LWG auch einen ersten Eindruck über die aktuelle Gartenleistungsprüfung mit 830 Sorten im Test machen. Höhepunkt war, wie auch in den vergangenen Jahren, die Wahl des „MainStar 2018“.
33 ausgewählte Neuzüchtungen stellten die Züchterfirmen dem Publikum zur Wahl. Als Favorit des Fachpublikums erhielt die kompakt wüchsige Gartenstaude [i]Nepeta[/i] (Katzenminze) 'Neptune' von Vitroflora mit großen blauen Blüten und würzigen Laubblättern Platz 1. Auf Platz 2 folgte [i]Osteospermum[/i] 'Flower Power Purple Sun', ein zweifarbig blühendes Kapkörbchen von Selecta One und auf Platz 3 [i]Dianthus[/i] (Gartennelke) 'Spooky' von Fleurizon.