Fachartikel
Was bringt eine Obstsortenkartierung?
Erkenntnisse aus vier Streuobstprojekten der LWG

Streuobst Sortenkartierung Titelseite

Seit rund 10 Jahren führt die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Obstsortenkartierungen (Apfel und Birne) durch. Die Erhebungen in den Landkreisen Lindau und Würzburg sind abgeschlossen, die Kartierung im Allgäu läuft noch. Im folgenden Artikel werden die Vorgehensweise, die wesentlichen Ergebnisse und Schlussfolgerungen daraus vorgestellt. Ziel der Sortenkartierungen ist nicht nur die Sortenerhaltung, die für die Züchtung wertvoll sein kann; vielmehr sollen für verschiedene Verwendungszwecke auf der Basis einer fundierten Charakterisierung der Sorten Empfehlungen ausgearbeitet werden, um den Streuobstbauern Arbeitshilfen anbieten zu können.

2012, 9 Seiten

Ausgangslage

Im 19. Jahrhundert erreichte die Sortenvielfalt mit rund 5000 Sorten im bäuerlichen Selbstversorgerobstbau ihren Höhepunkt; jeder Bauer hatte einen Obstgarten mit einer bunten Mischung an Obstarten und -sorten für verschiedenste Verwendungszwecke, der auch der städtischen Bevölkerung als unverzichtbare Ernährungsgrundlage diente.
Ab 1950 ging es mit dem Streuobstbau im Allgemeinen und der Sortenvielfalt im Besonderen langsam aber sicher bergab. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine Hauptursache ist die Rationalisierung in der Landwirtschaft. Sie führt einerseits zu einer Reduzierung des Arbeitskräftepotentials für den arbeitsintensiven Streuobstbau, andererseits zur stetigen Ausdünnung des unübersichtlichen Sortenspektrums im professionellen Anbau bis hin zu großflächigen Monokulturen.

Ergebnisse

Die Anzahl der sicher bestimmten Obstsorten in den Projektregionen ist noch beachtlich, im Vergleich zum 19. Jahrhundert sind allerdings bereits große Verluste zu verzeichnen. Auch das nur in den Köpfen der alten Obstbauern gespeicherte Sortenwissen ist bereits stark erodiert. In Anbetracht der Überalterung der Bestände und ihrer Besitzer bedarf es in den nächsten Jahren großer Anstrengungen, um das noch vorhandene genetische Potential zu sichern, unter anderem damit es für Züchtungszwecke auch dem Erwerbsanbau zur Verfügung steht. Es müssen landesweit verteilt Sortengärten angelegt werden, jede Sorte ist an mindestens zwei Standorten zu sichern. Dort können sie dann weiter beobachtet und charakterisiert werden.
Der Großteil der vorgefundenen Sorten ist nicht umsonst selten; diverse Qualitätsmängel von der Alternanz, dem Kronenaufbau über Krankheits- und Schädlingsbefall bis hin zur Fruchtqualität haben sie aus dem Blickfeld der Obstbauern verdrängt. Dennoch wurde bei jedem Kartierungsprojekt eine stattliche Anzahl vor allem regionaltypischer Sorten herausgefiltert, die sich für den verstärkten Anbau eignen und nun in Baumschulen vermehrt werden, z. B. Schneiderapfel, Pfahlinger oder Bayerische Weinbirne. Sowohl am Bodensee als auch im Landkreis Würzburg fanden Verarbeitungsversuche mit seltenen Sorten bei Brennern statt (z. B. sortenreine Brände aus Röhrlesbirne und Trockener Martin), jedoch in unzureichendem Umfang; hier ist noch großer Forschungsbedarf.