Versuchsergebnisse
Robuste und leistungsstarke Zwetschgenunterlagen

Reife Zwetschgen und Laubblättern hängen am Ast.

Wuchs- und Ertragsleistung, Fruchtqualität, Ausläuferbildung, aber auch Robustheit und Bestandssicherheit sind entscheidende Kriterien einer Unterlagenwahl. An der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim gaben verschiedenen Unterlagenversuche seit den 1990er-Jahren Aufschluss. Die Unterlagenempfehlung konnte aktualisiert werden.

Abgestorbene Zwetschgenbäume konnten verstärkt ab Mitte/Ende der 1990er-Jahre in Franken, Baden und im Rheinland festgestellt werden. Zunächst wurde ein Sorteneinfluss vermutet und auch Baumschulen verdächtigt, bereits infizierte Jungbäume ausgeliefert zu haben. Der im Dezember 1996 angelegte erste Zwetschen-Unterlagenvergleich im LWG-Versuchsgelände für Obstbau und Baumschule in Thüngersheim "Stutel", konnte jedoch einen Unterlageneinfluss nachweisen.

Folgende Sorten und Unterlagen wurden einbezogen: 'Katinka', 'Hanita', 'Empress', 'Cacaks Fruchtbare', 'Valjevka', 'Top', 'Elena', 'Presenta', Hauszwetschgen-Typen 'MaRe' und 'Etscheid' – jeweils auf den Unterlagen St. Julien INRA 655/2, Jaspy®/Fereley(S), Prunus-Hybride 'Ishtara'(S), Myrobalane, Prunus tomentosa Weito®/Klon 226. Zusätzlich 'Herman' mit "655/2" und Myrobalane.

Weitere Daten

Pflanzabstand 4,4 x 3 m, leichter Boden: sandiger Lehm, 50 Prozent der Bäume mit Tröpfchenbewässerung, Erziehung als "extensive" Spindel, Pflanzenschutz erfolgte praxisüblich gemäß IP-Richtlinien ohne besondere vorbeugende Maßnahmen wie Weißeln des Stammes oder Kupferbehandlungen über Winter.

Im Sommer 1998 (zweites Laub) waren erste Baumausfälle nur auf der Unterlage Fereley quer über alle Sorten zu verzeichnen. Es konnte der Erreger Pseudomonas syringae pv. syringae nachgewiesen werden, der zusammen mit Pseudomonas syringae pv. morsprunorum das "Zwetschgensterben" nach Eindringen über winzige Wunden/Risse/Schnittstellen auslösen kann. An der Südostseite der Unterlage Fereley waren Frostrisse zu verzeichnen, sodass der Erreger über Winter 1997/98 in die Pflanze eindringen und sie infizieren konnte. In den Folgejahren fielen die weiteren Fereley-Bäume und später auch verstärkt "655/2"-Bäume aus – bei beiden Unterlagen zuerst in der nicht bewässerten Variante.

Auf den Pflanzstreifen mit ausgefallenen und gesunden Bäumen.

Ausfälle

Eine Schnittstelle am Baumstamm ist Pseudomonas zu sehen.

Pseudomonas

Typische Symptome

  • Rindeneinsenkungen am Stamm (Stamm: kantig, abgeflacht und unrund). Drückt man auf diese Stellen, so sind sie etwas weicher.
  • Verbräunungen unter der Rinde (scharf begrenzter Übergang zum gesunden Holz)
  • Vergilbung und Vertrocknung der Blätter im Laufe des Sommers
  • Absterben des Baumes
  • Sekundärer Befall mit Valsa bzw. Runzligem Apfelsplintkäfer oder Holzbohrern
Tabelle 1 - Baumausfälle durch "Zwetschgensterben" (Pseudomonas syringae)

Versuchsstandort Stutel, LWG Veitshöchheim, Durchschnitt von zehn (bzw. elf) Sorten


Unterlage - St. Julien INRA 655/2

TröpfchenbewässerungBeobachtungszeitraum *)Anzahl VersuchsbäumeBaumausfälle absolutBaumausfälle relativ
nein12/1996-12/200340922,5 %
ja12/1996-10/2005501836 %
Gesamt/Durchschnitt-902730 %
Unterlage - Prunus tomentosa Weito (Klon 226)

TröpfchenbewässerungBeobachtungszeitraum *)Anzahl VersuchsbäumeBaumausfälle absolutBaumausfälle relativ
nein12/1996-12/20033000
ja12/1996-10/200544511,4 %
Gesamt/Durchschnitt-7456,8 %
Unterlage - Jaspy®/Fereley(S)

TröpfchenbewässerungBeobachtungszeitraum *)Anzahl VersuchsbäumeBaumausfälle absolutBaumausfälle relativ
nein12/1996-12/2003403997,5 %
ja12/1996-10/2005363391,7 %
Gesamt/Durchschnitt-767294,7 %
Unterlage - Prunus-Hybride 'Ishtara'(S)

TröpfchenbewässerungBeobachtungszeitraum *)Anzahl VersuchsbäumeBaumausfälle absolutBaumausfälle relativ
nein12/1996-12/20034012,5 %
ja12/1996-10/20054412,3 %
Gesamt/Durchschnitt-8422,4[ )%
Unterlage - Myrobalane

TröpfchenbewässerungBeobachtungszeitraum *)Anzahl VersuchsbäumeBaumausfälle absolutBaumausfälle relativ
nein12/1996-20034012,5 %
ja12/1996-12/200456712,5 %
Gesamt/Durchschnitt-9688,3 %

*) Rodung der Versuchsbäume 12/2003 in der nicht bewässerten Variante

Zwetschgen-Unterlagen Versuch 2

Da im Versuch 1 ein eindeutiger Einfluss der Unterlage festgestellt werden konnte, wurde ein Folgeversuch angezogen. Die einjährigen Veredlungen wurden im März 2004 an der LWG Versuchsbetrieb "Stutel" im Nachbau (4 x 2,5 m) und parallel dazu in einer befallenen Praxisanlage in Astheim, Landkreis Kitzingen (4 x 2 m) in Ausfallstellen nachgepflanzt.

Beteiligte Sorten: 'Cacaks Fruchtbare', 'Elena', 'Katinka', 'Hanita', 'Hauszwetschge Schüfer', 'Topper', Aprikose 'Hargrand', 'Mirabelle von Nancy' jeweils mit den Unterlagen: Wavit, Wangenheims-Sämling, St. Julien A, St. Julien 655/2, Fereley; je Sorten-Unterlagen-Kombination in verschiedenen Stückzahlen. Pflanzenschutz erfolgte praxisüblich gemäß IP-Richtlinien und ohne besondere Maßnahmen gegen Pseudomonas syringae.

Zweifarbige Diagrammsäulen mit Anzahl der Bäume und Baumausfälle in Prozent.

Abbildung 1: Einfluss von Unterlagen auf das "Zwetschgensterben" - Versuch 2, Summe beider Standorte (Stand: Oktober 2008, fünftes Laub)

Ein Baum mit reifen Zwetschgen und Laubblättern auf dem Versuchsfeld.Zoombild vorhanden

Wangenheims-Sämling

Da sich Ertragsverhalten unter anderem wichtige Parameter ebenfalls bis dato positiv dargestellt haben, wurden Wavit, Wangenheims-Sämling und die in Franken stets positiv bewertete St. Julien A in die bayerische Unterlagenempfehlung übernommen. Hingegen wurde auf St. Julien 655/2 auch wegen der vielen, vor allem in zunehmenden Standjahren vermehrt aufgetretenen Wurzelausläufer und Fereley verzichtet. Auch wenn es Gebiete gibt, in denen Fereley „funktioniert“, so stellt sie ein Risiko dar in Anbetracht der verstärkt auftretenden Klimaextreme (Frostrisse) und der Zunahme der verschiedenen Pseudomonas-Erreger.

Um die Leistungsfähigkeit der drei verbliebenen Unterlagen zu eruieren, wurde der Versuch ohne Fereley und nach 2010 auch ohne St. Julien 655/2 weitergeführt. Vor dem Roden von „655/2“ wurde diese bekannte Standardunterlage mit den verbliebenen, zum Teil „neuen“ Unterlagen noch verglichen. Dabei lag nach fünf Ertragsjahren im Durchschnitt aller Sorten „655/2“ mit 77 kg/Baum vor St. Julien A (73 kg/Baum), Wavit (68 kg/Baum), Wangenheim-Sämling (58 kg/Baum). Der Grund für diese Ertragsunterschiede liegt darin, dass die beiden St. Julien-Typen den stärksten Wuchs (Aspekt: Stammquerschnittsfläche) zeigten (61 bzw. 63 cm2). Wavit (52 cm2) und Wangenheim-Sämling (50 cm2) fielen deutlich ab. Jedoch bezüglich spezifischer Ertrag lagen Wavit (1,29 kg/cm2) und St. Julien 655/2 (1,25 kg/cm2) gleich; beide minimal besser als St. Julien A und Wangenheim-Sämling (1,15 bzw. 1,16 kg/cm2).

Grob gesagt, waren Wavit und St. Julien A in diesem Vergleich zu St. Julien 655/2 leistungsmäßig „im grünen Bereich“. Bei Wangenheim-Sämling handelt es sich um einen wuchs- und somit ertragsschwächeren Typ, der jedoch in der Behangdichte fast gleich ist und durch engere Pflanzung flächenmäßig sogar bessere Erträge liefern kann.

Versuchsende 2013 nach dem zehnten Standjahr

Abbildung 2 zeigt, dass St. Julien A hinsichtlich Stammquerschnittsfläche spürbar stärker wächst als Wavit und Wangenheims-Sämling. Da Wavit den höchsten marktfähigen Einzelbaumertrag (134 kg) im Schnitt von sieben Sorten in acht Ertragsjahren erzielt, ist auch dessen spezifischer Ertrag (Behangdichte), bezogen auf die Stammquerschnittsfläche mit 1,52 kg/cm2 am höchsten (im Vergleich zu Wangenheims-Sämling 1,38 kg/cm2 und St. Julien  A 1,32 kg/cm2). Bezieht man den spezifischen Ertrag auf das Kronenvolumen, das jedoch durch Schnitt beeinflusst ist (fast gleiche Baumhöhen und Baumdurchmesser), so liegen Wavit und St. Julien A gleich.

Zweifarbige Diagrammsäulen mit Stammquerschnittsfläche und marktfähiger Einzelbaumertrag.

Abbildung 2: Stammquerschnittsfläche und marktfähiger Einzelbaumertrag verschiedener Zwetschgenunterlagen nach dem zehnten Laub im Jahr 2013, Durchschnitt von sieben Sorten.

Im 100-Fruchtgewicht (Durchschnitt 2007 bis 2013, Durchschnitt von sieben Sorten) bestätigt St. Julien A (2921 g) seinen positiven Einfluss. Wangenheim-Sämling überrascht mit dem gleichen Wert (2924 g); Wavit fällt durch die genannte höhere Behangdichte ab (2816 g). Die Sorten lagen über 3000 g außer 'Katinka' (2525 g) und 'Mirabelle von Nancy' (1235 g). Starke Behänge von 'Topper', 'Elena', 'Cacaks Fruchtbare', 'Hanita' und 'Katinka' standen schwächere der wuchsstarken Sorten 'Nancy' und 'Hauszwetschge Typ Schüfer' gegenüber.

Fazit der Versuche

Auf Grund vorhandener, zugleich leistungsfähiger Alternativen führen totale bzw. erhebliche Baumausfälle von Fereley bzw. St. Julien 655/2 zu einer ablehnenden Empfehlung, die bei 655/2 durch Ausläuferbildung noch bekräftigt wird. Im Vergleich zur bekannten "655/2" trägt St. Julien A ebenso gut (Grund: etwas stärkerer Wuchs) hingegen Wavit nur aufgrund des schwächeren Wuchses weniger. Die Behangdichte (spezifischer Ertrag) ist jedoch gleich. Durch dichtere Pflanzung können Wavit und Wangenheim-Sämling den Ertragsunterschied zu "655/2" ausgleichen oder sogar überholen.

Bezüglich Fruchtgewicht erreicht Wangenheim-Sämling das Niveau der wiederholt günstig beeinflussenden St. Julien A. Wavit fällt durch stärkeren Behang um ein Gramm pro Frucht ab. Dennoch sind einzelne Kombinationen wie Wavit/'Hauszwetschge Typ Schüfer' mit 122 kg/Baum und 32 g/Frucht den anderen überlegen. Bei kleinfruchtigen Sorten wie 'Katinka' erweisen sich St. Julien A und Wangenheim-Sämling hingegen etwas vorteilhafter als Wavit.

Im Gegensatz zu 655/2 traten Ausläufer/Stockausschläge bei Wavit, Wangenheim-Sämling und St. Julien A nicht oder nur vereinzelt (z. B. bei wuchsstärkeren Sorten wie 'Hauszwetschge Typ Schüfer', 'Mirabelle von Nancy' und 'Elena') auf.

Alle drei im Versuch verbliebenen Unterlagen sind im modernen Zwetschgenanbau mit stark fruchtenden Sorten günstig einzustufen und somit zu Recht in die bayerische Empfehlung gekommen. Die gute Bestandssicherheit (wenig Baumausfälle) bekräftigt diese Entscheidung. Bei Wangenheim-Sämling ist eine gewisse Vorsicht angebracht. Daher wurde ein Folgevergleich zweier unterschiedlich wüchsiger Wangenheim-Sämlingsauslesen der Baumschule Lodder mit Weiwa® (in vitro vermehrte Sorte 'Wangenheim' als Unterlage) angelegt. Aussagen hierzu sind noch zu früh.

Reife Früchte mit rot gefärbt auf orange-gelben Grund und Laubblättern hängen am Ast.Zoombild vorhanden

Sortenprüfung

In der Sortenprüfung Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen stehen alle neu zu bewertenden Sorten bzw. Klone inzwischen auf Wavit; neuerdings zum Teil auch auf Weiwa; ältere Varietäten auch auf St. Julien A. Bei all diesen Unterlagen sind keine Unterlagenbedingte-Baumausfälle und Ausläufer aufgetreten. Sie liefern auch je nach Sorte/Klon sehr ansprechende Erträge und Fruchtqualitäten.

Da sich Wavit in anderen Versuchsanstellungen ebenfalls positiv darstellt, unter anderem “Dr. Leonhard Steinbauer: Fünfkampf der Zwetschgenunterlagen, OBSTBAU 01/2016“ zeigt dies von deren große Anbaubreite unter verschiedenen Bedingungen. Mit Wavit, Wangenheims-Sämling und St. Julien A stehen nicht nur für den fränkischen Raum drei leistungsstarke und zugleich robuste Unterlagen zur Verfügung. Diese könnten künftig um Scharka-hypersensible, aber auch weitere Unterlagen (Weiwa, spezielle Wangenheims-Sämlingsauslesen) ergänzt werden.