Nachlese 53. Landespflegetage 2021
Von der Bühne auf den Bildschirm – Landespflegetage einmal anders!

Mit den 53. Landespflegetagen am 23. und 24. Februar 2021 wagten wir – gezwungenermaßen - den Schritt zu einer Online-Fachtagung. An zwei Nachmittagen standen unsere Fachleute für Sie live vor der Kamera und beantworteten anschließend die Fragen der insgesamt 650 Gäste aus dem Chat. Hier finden Sie einige Eindrücke von den beiden Veranstaltungstagen sowie viele Links zu weiterführenden Informationsangeboten.

23. Februar 2021: Klimaanpassung in Planung und Baubetrieb

Den Schwerpunkt am ersten Tag bildeten die hochbrisanten Anpassungen in Planung und Baubetrieb aufgrund des Klimawandels und diese Thematik lockte insgesamt knapp 500 Gäste in den virtuellen Tagungsraum. Die Einführung übernahm als Moderator Dr. Claus Prinz.
Bei den Referaten machte den Anfang Nikolai Kendzia, der über seine Arbeit im Bewässerungsforum Bayern berichtete. Dieses Gemeinschaftsprojekt der Bayerischen Ministerien für Umwelt und für Landwirtschaft soll angesichts sinkender Grundwasserstände alle vernetzen, die in größerem Umfang Wasser für die Beregnung benötigen. Dazu zählen auch die Kommunen, die nach einer ersten bayernweiten Umfrage momentan ihre Grünflächen noch zu 63% mit Trinkwasser gießen. Als Handreichung für die Planung des Wasserbedarfs wurden bereits Normen und Regelwerke ausgewertet und zu einem Beratungsblatt zusammengefasst.

Auch um den Bewässerungsbedarf der Stadtbäume zu verringern, erforscht Dr. Susanne Böll seit dem Jahr 2009, welche Baumarten sich für die zukünftigen Klimabedingungen besonders eignen. Im Rahmen des Projekts Stadtgrün 2021 hat sie in den vergangenen heißen Jahren deutlich geringere Blatttemperaturen bei südosteuropäischen Baumarten gemessen als bei den heimischen „Schwesterarten“. Als Anpassungsstrategie an die Hitze hat sie beispielsweise bei der Silber-Linde (Tilia tomentosa) aufgezeigt, dass diese in der Oberkrone die silbrig behaarten Blattunterseiten nach oben dreht. Damit wird mehr Sonnenlicht reflektiert und die Blatttemperaturen bleiben in der Spitze um mehrere Grad niedriger als bei der Winter-Linde (Tilia cordata). Zudem empfiehlt die Biologin, dunkel gefärbte Mulchmaterialien für Baumscheiben zu vermeiden, da dort Temperaturen von mehr als 60°C entstehen und Baumschäden verursachen können.

17. Symposium zur Pflanzenverwendung in der Stadt „Stadtbaumarten im Klimawandel“ am 27. und 28. September 2021 Externer Link

Nach der Pause, in der die Gäste durch je ein Video des VGL Bayern e. V. und unserer Technikerklasse Garten- und Landschaftsbau unterhalten wurden, nahm Hubert Siegler von der Bayerischen Gartenakademie das Tagesmotto auf und fragte: „In Zukunft nur noch Dörrobst?“ Er stellte fest, dass viele etablierte Obstarten und -sorten mit den steigenden Temperaturen, der zunehmenden Trockenheit, mit Sonnenbrand und vermehrter Krankheitsanfälligkeit kämpfen. Doch durch die Sortenwahl und mit Kulturmaßnahmen wie Mulchen, sorgfältigem Baumschnitt, angepasster Bewässerung würden sich die Schäden verringern lassen, so der Obstbau-Fachmann. Sogar exotische Fruchtgehölze kann man nun in Erwägung ziehen, aber für alle Obstarten gilt: Das Anbaurisiko nimmt durch häufigere Wetterextreme zu!

Auch die Menschen – sprich die Arbeitskräfte aus betrieblicher Sicht – leiden unter dem Klimawandel. Darum gaben Carola Amling von der Berufsgenossenschaft SVLFG und VGL-Präsident Gerhard Zäh als Unternehmer Anregungen zum sommerlichen Arbeitsschutz. Komplettiert wurde die Gesprächsrunde durch Mathias Nix, Ausbilder im Grünflächenamt der hitzegeplagten Stadt Frankfurt am Main. Bei hohen Temperaturen ist auf eine Trinkmenge von bis zu fünf Litern pro Tag zu achten – bevorzugt reines Wasser, das im Betrieb von Gerhard Zäh und beim Grünflächenamt Frankfurt kostenlos bereitgestellt wird. Die Arbeitsstätten sollten durch Sonnenschirme oder Pavillons beschattet werden. Wo dies nicht möglichst ist, kann die Verlegung der Arbeiten in die kühleren Morgenstunden Erleichterung bringen. Zumindest muss für schattige Erholungsräume gesorgt werden, die auch für vermehrte Kurzpausen aufgesucht werden können. Als UV-Schutz dienen neben der unverzichtbaren Sonnencreme lange, aber leichte Arbeitskleidung sowie breitkrempige Hüte oder Kappen mit Nackenschutz. „Es ist also ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sich die Haut an die Sonne gewöhnt und eine Bräunung vor Schäden schützt – man sieht diese einfach nicht mehr“, betonte Moderator Claus Prinz in seinem Resümee.

Zum Abschluss informierte Martin Degenbeck über das Projekt „Sortenreine Edelbrände aus seltenen Streuobstsorten“. Mit einem Gläschen Birnenbrand aus der Sorte Mollebusch, hob er hervor, dass die Obstbrenner zu den wichtigsten Nutzern der Streuobstbestände zählen und damit für deren Bestandssicherung sorgen würden, nach dem Motto „Erhalten durch Nutzen“.

24. Februar 2021: Neues aus der Pflanzenverwendung

Den zweiten Tag moderierte in seiner bekannt humorvollen Art Jürgen Eppel, Leiter des Instituts für Stadtgrün und Landschaftsbau. Nach den organisatorischen Hinweisen führte er die im Tagesverlauf gut 550 Tagungsgäste in ein heftig umstrittenes Themenfeld der Pflanzenverwendung ein: Der Einsatz nicht-heimischer Pflanzenarten und kultivierter Sorten, der in Kreisen des Naturschutzes ein überaus schlechtes Image aufweist.
Die verschiedenen Einrichtungen der LWG haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet. Theresa Edelmann stellte dieses sogenannte Veitshöchheimer Leitbild zur integrierten Pflanzenverwendung in Grundzügen vor. Darin wird klargestellt, dass im Fokus der LWG überwiegend der besiedelte Bereich sowie landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Flächen stehen. Diese stellen häufig vom Menschen stark veränderte Sonderstandorte dar, darunter Baumscheiben, Dachflächen, zu begrünende Fassaden oder Versickerungsanlagen. Diese müssen vielfältigen Anforderungen gerecht werden und dafür braucht es die am besten geeigneten Pflanzenarten – unabhängig von ihrer Herkunft. Angesichts der sich weiter verschärfenden Klimaveränderungen, sollen ausgewählte Arten aus anderen Florengebieten verwendet werden. Denn wenn viele Bestäuberinsekten aufgrund der milden Herbstwitterung deutlich länger aktiv bleiben, benötigen diese länger Nektar und Pollen in der verlängerten Trachtsaison. Anhand weiterer Argumente legte die Referentin dar, dass es für die Veitshöchheimer deshalb nicht ausreicht, ausschließlich heimische bzw. gebietseigene Pflanzenarten zu erforschen und generell nur diese zur Verwendung zu empfehlen.

Veitshöchheimer Leitbild zur integrierten Pflanzenverwendung Externer Link

Bereits seit 25 Jahren, also lange bevor über ein Leitbild zur Pflanzenverwendung geredet wurde, beschäftigt sich Kornelia Marzini an der LWG mit Wildpflanzenmischungen. In einem Zwiegespräch mit ihrer jungen Projektkollegin, der Tierökologin Dr. Elena Krimmer, ließ sie die wichtigsten Entwicklungen Revue passieren. Für das Straßenbegleitgrün konnten seit Ende der 1990er Jahre in Versuchen die Vorteile regionaler Herkünfte gegenüber großräumig gehandeltem Pflanzenmaterial belegt werden. Für landwirtschaftliche Flächen wurden wildtierfreundliche „Lebensraum-Mischungen“, ertragsstarke Ansaaten wie „Hanf-Mix“ als biodiversitätsfördernde Mais-Alternativen zur Biogaserzeugung sowie blütenreiche Bienenweide-Rezepturen entwickelt und erprobt. Für den Siedlungsbereich kamen in jüngerer Zeit ökologisch und ästhetisch ausgerichtete Pflanzenzusammenstellungen dazu.

In der Pause zeigten wir erneut die Filme des VGL Bayern e. V. und unserer Technikerklasse Garten- und Landschaftsbau.

Angelika Eppel-Hotz und Andreas Adelsberger empfahlen anschließend einige robuste und hitzeverträgliche Pflanzen für das öffentliche und private Grün. Viele davon kommen ursprünglich in Trocken- oder Halbtrockenrasen vor oder sie stammen aus niederschlagsarmen Steppengebieten. Verschiedene Anpassungsformen machen diese Pflanzen zu Gewinnern im Klimawandel, eine silbrige Behaarung beispielsweise bei Wollziest (Stachys byzantina) oder glänzende Wachsschuppen bei Blauschwingel (Festuca cinerea), die das Sonnenlicht reflektieren und als Verdunstungsschutz fungieren. Auch ausgeprägte Speicherorgane wie Rhizome, Knollen oder Zwiebeln erleichtern es, ungünstige Wetterphasen zu überdauern. Andere setzen auf tiefreichende Wurzeln oder versuchen schnell zur Samenreife zu gelangen, damit diese nach der Trockenheit rasch neue Bestände aufbauen können. Diese Dynamik muss der Pflanzenverwender berücksichtigen und die dazu passenden Partnerpflanzen auswählen. Hierfür konnten die beiden Referenten auf zahlreiche eigene und in Kooperation entstandene Merkblätter verweisen.

Stefan Schmidt, Landschaftsarchitekt in Wien, und sein Co-Referent Dr. Philipp Schönfeld, Leiter unseres Arbeitsbereichs Urbanes Grün, stellten mit beeindruckenden Bildern die Freianlagen der Wirtschaftsuniversität Wien vor. Dort waren in den Jahren 2010 bis 2013 von verschiedenen namhaften Architekten für knapp 500 Millionen Euro zahlreiche Lehr- und Forschungsgebäude errichtet worden. Für die Gestaltung der 5,5 Hektar Freiraumfläche kamen unter anderem 110.000 Stauden zum Einsatz, die in weiten Bereichen die Bepflanzung dominieren. Angesichts der individuell-außergewöhnlichen und prägnanten Architektur musste die Freiflächengestaltung als verbindendes Element dienen, zugleich aber auch mit den Bauwerksfassaden harmonieren – ohne davor unterzugehen. Der Landschaftsarchitekt und sein beratender Pflanzenexperte lösten dieses Dilemma, indem sie eine großzügige Landschaft mit verschiedenen einprägsamen Pflanzenbildern schufen, die sich jeweils auf wenige, farblich harmonierende Pflanzenarten beschränken. Diese sind innerhalb der einzelnen Bepflanzungsflächen in großen, sich verzahnenden Gruppen angeordnet, sodass eine auch aus der Entfernung wahrnehmbare, sich jahreszeitlich verändernde Wirkung entsteht. Die Pflege lag bislang in den Händen der ausführenden Fachfirma, nun gilt es, einen Umgang mit den vom Planer unerwünschten Veränderungen zu finden, die durch das technische Gebäudemanagement, Kommunikationsfehler oder die Aneignung durch die Besucher zustande kommen.

Zum Abschluss verkostete Martin Degenbeck einen Brand vom Börtlinger Weinapfel, aus dem Projekt „Sortenreine Edelbrände aus seltenen Streuobstsorten“.

Ein Monitor zeigt die Konferenzübertragung mit einer bunten Säulengrafik. Im Hintergrund blickt ein Mann mit Glatze, Brille und Drei-Tage-Bart auf einem weiteren Bildschirm.

Nikolai Kendzia

Vor einem Monitor, der die virtuelle Konferenz überträgt und drei Stadtbäume zeigt, steht ein schwarzer Wecker. Im Hintergrund blickt eine Frau mit nackenlangen, grauen Haaren und Brille konzentriert auf einen weiteren Bildschirm.

Dr. Susanne Böll

Drei Videokacheln der Konferenzsoftware zeigen die Gesprächspartner aus Sicht der Tagungsteilnehmer.

Gespräch zu UV-Schutz auf Baustellen

Ein Mann hält sich ein tulpenförmiges Edelbrandglas vor die Nase, während eine Kamera sein Bild auf mehrere Monitore vor ihm überträgt.

Martin Degenbeck

An einem hohen Tisch steht eine schlanke Frau mit kurzen, dunklen Haaren und bedient einen Computer. In drei Metern Entfernung blickt ein Mann auf seinen Moderatorenbildschirm. Links, zwischen Trennwänden aus Milchglas beugen sich zwei Männer über Laptops.

Ein Blick hinter die Kulissen

An einem weißen Tisch sitzen rechts eine Frau mit schulterlangen, dunkelblonden Haaren und links ein Mann. Dieser trägt eine graue Jacke mit einem blauen Hemd und hat kurze, schwarze Haare. Von rechts ragt ein Monitor ins Bild, der ein Foto mit violetten Küchenschellen und gelben Adonisröschen zeigt.

Angelika Eppel-Hotz und Andreas Adelsberger

Zwei Frauen unterschiedlichen Alters sitzen an den gegenüberliegenden Seiten eines Tisches, auf dem eine Trennwand aus Glas steht.

Kornelia Marzini und Elena Krimmer

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber auch die Veranstalter bedauerten das Fehlen der persönlichen Kontaktmöglichkeiten auf der virtuellen Konferenzplattform. Dennoch gab es viele positive Rückmeldungen zur Durchführung als Online-Fachtagung, da dies Reisezeiten und die entsprechenden Kosten ersparte. Allerdings verlief die Tagung nicht immer störungsfrei, mit in der Spitze 510 gleichzeitig eingeloggten TeilnehmerInnen schien die Kapazitätsgrenze erreicht zu sein. Vielleicht lag es an der allgemein hohen Auslastung der Übertragungsnetze, dass viele Verbindungsabbrüche beklagt werden mussten.
Wir bitten für diese Schwierigkeiten um Entschuldigung, besonders jene, die gar nicht teilnehmen konnten. Auch wir haben den Wunsch, im nächsten Jahr am 25. und 26. Januar 2022 unsere Tagung wieder in bewährter Form in den Veitshöchheimer Mainfrankensälen durchzuführen – auch um die begleitende Fachausstellung anbieten und den persönlichen Austausch pflegen zu können.
Unser Dank gilt nicht nur allen Referentinnen und Referenten sowie den Organisatoren Martin Degenbeck und Theresa Edelmann, sondern auch Johannes Burkert und Felix Baumann vom Institut für Weinbau und Oenologie (IWO). Diese haben zusammen mit Thomas Leopoldseder im Vorfeld und an beiden Veranstaltungstagen für die technische Realisierung im zum Sendestudio umgebauten Sensorikraum der LWG gesorgt.