Forschungs- und Innovationsprojekt
Klima-Forschungs-Station – Entwicklung und Optimierung begrünbarer Klimafassaden

Vier Personen besichtigen die Begrünung am Südhaus.

Wandgebundene Fassadenbegrünung wird oftmals erst nachträglich an das Bauwerk angebracht. Wenn die Begrünung bereits bei der Hochbauplanung berücksichtigt wird, kann eine "vernetzte" Fassaden-Systematik entstehen, die Gebäudetragwerk, Wärmedämmung, Pflanzentragwerk und Vegetation zum Nutzen aller am Bau Beteiligten integriert und damit optimiert.

Vor allem dort, wo in unseren Städten dicht gebaut und hochgradig versiegelt wird, sind die negativen Folgewirkungen der fortschreitenden Klimaerwärmung geprägt durch Temperaturextreme und Wassermangel heute schon überproportional spürbar. Auch immissionsrelevante Größen, wie z. B. Luftqualität, Abwärme und Lärm erreichen meist deutlich höhere Werte als im weniger besiedelten Umland. Dies ist für die Menschen von elementarem Interesse, da heute bereits 74 % der Bevölkerung in deutschen Städten lebt. Abhilfe tut also Not! Die Optimierung des Wasser- und Lufthaushaltes urbaner Räume genießt neben der Energieeffizienz in der Architektur und Stadtplanung schon jetzt oberste Priorität. Erfreulich, dass man sich in diesem Zusammenhang auch immer mehr auf Wohlfahrtswirkungen, die von Pflanzen ausgehen, rückbesinnt. Funktionales Grün in Kombination mit innovativen Fassadenmaterialien zählt zu den hoffnungsvollen "grünen" Technologien. Für eine angestrebte qualitativ hochwertige Umsetzung bedarf es ganzheitlicher Konzepte, die disziplinübergreifendes Fachwissen bündelt und in Form praxisgerechter Anwendungsbeispiele Fassadenlösungen zur Optimierung energetischer, klimatischer und gestalterischer Potenziale aufzeigt.

Ziel des Projektes

Standortgerechte vertikale Begrünungskonzepte sollen entwickelt und getestet werden, die durch eine hohe Verdunstungsleistung eine Klimawirksamkeit auf das Fassadenumfeld aufweisen. In Kombination mit innovativen Fassadenmaterialen und Kühlkomponenten soll der positive Effekt der Vertikalbegrünung auf das Mikroklima an der Fassade optimiert und effizienter nutzbar gemacht werden, um einen nachhaltigen ressourcenschonenden Beitrag zur Klimamäßigung im Siedlungsbereich zu leisten.

Methode des Projektes

An den Fassadenprüfständen werden ein flächiges Vliessystem der Vertiko GmbH und ein rinnenförmiges Regalsystem „grünwand klimafassade“ des Herstellers Tech Metall Erzeugungs- und Handel u. Montage GesmbH getestet. Beide Systeme sind in bewegliche Rahmengestelle eingehängt, um verschiedene Abstände zwischen Begrünung und Fassade einzustellen. Die Begrünungsvarianten werden mit verschiedenen bautechnischen Fassadenvarianten kombiniert. Bauseits werden zusätzlich eine schaltbare Wärmedämmung und eine fassadennahe Warmluftzufuhr über passive Wärmerohre erprobt.

Die standortgerechte Pflanzenauswahl berücksichtigt die südliche und westliche Exposition der Fassadenprüfstände. Das Artenreservoir umfasst insgesamt 12 Pflanzenarten mit vergleichbar hohem Wasser- und Nährstoffbedarf. Es wurden sowohl immergrüne als auch laubabwerfende Pflanzen eingesetzt. Dies ermöglicht eine partielle ganzjährige Begrünung. Damit können auch winterliche Eigenschaften von Begrünung, zum Beispiel ein zusätzlich isolierender Effekt, untersucht werden.

Folgende Arten werden im Versuch eingesetzt:

  • Aster divaricatus 'Tradescant' (Weiße Wald-Aster)
  • Bistorta amplexicaulis 'Blackfield' (Kerzen-Wiesenknöterich)
  • Campanula poscharskyana 'Blauranke' (Hängepolster-Glockenblume)
  • Chrysogonum virginianum (Goldkörbchen)
  • Geranium macrorrhizum 'Czakor' (Balkan-Storchschnabel)
  • Hakonechloa macra 'Aureola' (Japangras)
  • Heuchera Hybride 'Amethyst Myst' (Purpurglöckchen)
  • Heuchera Hybride 'Chantilly' (Purpurglöckchen)
  • Hosta lancifolia (Lanzenblatt-Funkie)
  • Nepeta 'Walker's Low' (Katzenminze)
  • Sesleria heufleriana (Grünes Kopfgras)
  • Waldsteinia geoides (Ungarwurz)

Bisherige Ergebnisse des Projektes

Die Messungen im ersten Versuchsjahr 2018 haben ergeben, dass der Abstand zwischen Begrünung und Gebäudeaußenwand eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Ein größerer Abstand führte zu signifikant niedrigerer relativer Luftfeuchte und tendenziell zu kühleren Temperaturen. Die Unterschiede zwischen den beiden Begrünungssystemen und zwischen südlicher und westlicher Exposition hatten im Vergleich zum Abstand deutlich weniger Einfluss auf die mikroklimatischen Messwerte.

Insgesamt haben die gewählten Versuchsarten im Jahr 2018 in beiden Systemen zu einem optisch ansprechenden, annähernd flächigen Bewuchs geführt. Im Frühjahr 2019 hat der Großteil der Pflanzen wieder ausgetrieben. Als besonders widerstandsfähig haben sich bisher die Arten Heuchera (2x), Geranium, Hosta und Waldsteinia erwiesen. Chrysogonum scheint in der Vertikalen nicht gut zu funktionieren und kann daher nicht empfohlen werden.

Im Vordergrund ist das frisch bepflanzte Rinnesystem an der linken Seite der Westfassade installiert. Im Hintergrund montiert ein Mitarbeiter der LWG das bepflanzte Vliessystem vor der rechten Fassadenhälfte.

Installation

Üppig begrünte Westfassader der Klimaforschungsstation im Sommer 2018 mit Rinnensystem auf der linken und Vliessytem auf der rechten Seite.

begrünte Westwand

2 Mitarbeiter der LWG installieren die üppig bewachsenen Rinnen an der Südfassade.

Umbau

Überblick über die Klimaforschungsstation im September. Im Mittelpunkt die Südwand die mit dem Rinnensystem links sehr üppig, rechts etwas lückenhaft begrünt ist. Das Westhaus und die Klimalinde befinden sich im Hintergrund.

begrünte Südwand

Wärmebildaufnahme der Südwand mit begrüntem Rinnensystem. Die Farbcodierung zeigt eine deutlich niedrigere Temperatur in der Begrünung im Vergleich zur unbegrünten Hauswand im Hintergrund.

Wärmebildaufnahme

Dritter Preis bei Posterprämierung - FLL-Forschungsforum Landschaft 2020

Prof. Dr. Ulrich Kias (Bild li.), Präsident der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) und Prof. Dr. Beate Jessel (Bild re.), Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) übergaben Dr. Michaela Reim (2. von li), Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE Bayern) und Johanne Bohl (2. von re), Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) die Urkunde.
Prof. Dr. Ulrich Kias (Bild li.), Präsident der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) und Prof. Dr. Beate Jessel (Bild re.), Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) übergaben Dr. Michaela Reim (2. von li), Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE Bayern) und Johanne Bohl (2. von re), Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) die Urkunde.
Im Rahmen des Posterwettbewerbs auf dem FLL-Forschungsforum Landschaft 2020 mit dem Motto „Grün macht Klima“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen überreichten Prof. Dr. Ulrich Kias (Bild li.), Präsident der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) und Prof. Dr. Beate Jessel (Bild re.), Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) die Urkunde an die Preisträger (3. Platz). Eingereicht wurde das prämierte Poster, das sich mit aktuellen Forschungsergebnissen hinsichtlich der energetischen Wirkung begrünter Fassaden befasst, von Johanne Bohl (Bild 2. v.r.; Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau) und Dr. Michaela Reim (Bild 2.v.l.; Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V.).

Projektdaten
Projektleitung: Jürgen Eppel
Projektbearbeiter: Johanne Bohl
Projektpartner: ZAE Bayern
Laufzeit: 01.04.2017 bis 30.09.2020
Finanzierung: Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: KL/17/04