10 Jahre „Stadtgrün 2021“
Geburtsstunde der Stadtbäume von (über)morgen

Eigentlich sind Geburtstage ja ein Grund zum Feiern; besonders dann, wenn es sich um runde Jubeltage handelt. Doch der Anlass für den 10. Geburtstag des Forschungsprojektes „Stadtgrün 2021“ der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) lädt nicht dazu ein die Sektgläser zu heben, sondern vielmehr inne zu halten.

Denn unsere Stadtbäume stehen nicht nur in Bayern vor einer ungewissen Zukunft. Doch mit neuen, überaus aussichtsreichen Kandidaten kann es gelingen, auch künftig das Grün in unseren Städten zu halten. Und die ersten Früchte, die das deutschlandweit einmalige Forschungsprojekt bereits trägt, sind dann vielleicht doch ein (kleiner) Grund zum Feiern.

Wer sind die Besten? Die Stadtbäume von morgen

Immer neue Hitzerekorde mit drei „Jahrhundertsommern“ (2015, 2018, 2019) in gerade einmal fünf Jahren – die Folgen des Klimawandels hinterlassen auch in den bayerischen Städten deutliche Zeichen und leere Baumgruben: So lichten sich die Straßenbaumreihen und für Ahorn, Linde und Esche, die über Jahrhunderte hinweg das Stadtbild prägten, wird die Luft immer dünner. So gibt es zunehmend nicht nur kahle Bäume im Winter, sondern bereits in den Sommermonaten: Denn während Dürreperioden und bei Überhitzung vertrocknen oder verbrennen die Blätter und können keine Fotosynthese mehr leisten. Entsprechend stellt der Baum gezwungenermaßen das Wachstum für die restliche Vegetationsperiode ein. Auch die Ökosystemleistungen des Baumes wie die Bindung von Kohlenstoffdioxid (CO2) werden damit auf null gefahren.

„Hinzu kommen bei salzempfindlichen Baumarten wie Ahorn und Linde Salzschäden im Hochsommer. Denn gerade in trockenen und niederschlagsarmen Zeiten holt der Baum über seine Wurzeln alte Salzfrachten aus dem Boden“, so Dr. Susanne Böll von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Um das Grün von heute auch morgen in den Städten zu halten, braucht es neue Pflanzkonzepte, in dem die Position der Stadtbäume auch mit neuen Akteuren besetzt wird. Und genaue diese Akteure – die Stadtbäume der Zukunft –werden seit nunmehr 10 Jahren auf Wurzel, Blatt und Rinde getestet.

Grüne Bäume – grüne Städte

Im Projekt „Stadtgrün 2021“ sucht Dr. Susanne Böll mit ihrem Team vom Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau seit 2009 Kandidaten für die Stadt der Zukunft. Dafür wurden am 9. Dezember 2009 in Würzburg die ersten aussichtsreichen Baumarten gepflanzt, doch nicht irgendwelche: „Was liegt näher als Bäume zu wählen, die von Haus aus mit Hitze und Trockenperioden zurechtkommen“, so die LWG-Projektleiterin. Bei den vielversprechenden Testkandidaten handelt es sich daher vorwiegend um kontinentale Baumarten, beispielsweise aus Osteuropa, die dank ihrer Herkunft mit den zunehmenden Wetterextremen bestens vertraut sind und eine entsprechende Stadtklimaresilienz, also eine reelle Überlebenschance in den städtischen Hitzeinseln, erwarten lassen.

Aktuell werden insgesamt 29 verschiedene Baumarten an drei klimatisch unterschiedlichen bayerischen Standorten in Würzburg, Kempten und Hof/ Münchberg getestet. Wie sich die mittlerweile rund 660 Bäume im Langzeittest schlagen, wird aufwendig dokumentiert. So wird jeder einzelne Baum zweimal im Jahr vor Ort begutachtet und nach einem Kriterienkatalog bewertet. Neben der Baumgesundheit liegt der Fokus auch auf Wachstum und möglichen Frost-, Hitze- und Trockenschäden.

Die Lebenserwartung erhöhen

„Alt wie ein Baum“ bekommt in den Zeiten des Klimawandels eine völlig neue Bedeutung: „Im Schnitt stirbt der Stadtbaum in Deutschland schon den Säuglingstod und hat an der Straße eine Lebenserwartung von gerade einmal 15 bis 20 Jahren“, bringt es Dr. Böll auf den Punkt. Doch mit den erfolgsversprechenden Kandidaten, die sich im Testlauf jeweils regional bewährt haben, soll angesichts des Klimawandels eine nachhaltige Pflanzung erreicht werden. Das Ziel: Eine Lebenserwartung bei Straßenbäumen von 50 Jahren und mehr. „Dabei wird es aber nicht den einen ´Superbaum´ geben, der mit alle Anforderungen gleichermaßen gut zurechtkommt. Schon jetzt kristallisieren sich regional unterschiedliche Sortimente heraus, die sich gut geschlagen haben“, erläutert Susanne Böll.

So könnten künftig u. a. die Ungarische Eiche oder die Silberlinde (Balkan) zu den neuen grünen „Local Heros“ in Würzburg gehören. In Hof/Münchberg haben hingegen beispielsweise der Amberbaum und die Kobushi-Magnolie, in Kempten die Ulme 'Lobel' und die Blumenesche die Nase vorn. „Und Bäume in der Stadt sind nicht nur für Menschen unverzichtbar, sondern auch wertvoller Lebensraum für unsere Insekten“, betont Dr. Böll. Und dass sich heimische Spinnen, Käfer, Bienen & Co. auch in nicht-heimischen Baumkronen mehr als nur wohl fühlen, hat die bisher einzigartige Untersuchung zur Artenvielfalt in den Kronen südosteuropäischer Klimabäume (2019) gezeigt.

Mehr zum Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021: Neue Bäume braucht das Land!"