Versuchsbericht 2014
Euphorbia pulcherrima - Das Weihenstephaner Modell im Stresstest bei Poinsettien

Euphorbia pulcherrima 'Titan Red' - Vergleich Standorte

Die Kultur von Euphorbia pulcherrima zählt zu den Kulturen mit einem hohen Energieaufwand. Dies betrifft besonders die ungesteuerte Kultur mit Absatztermin ab Woche 47/48. Zur Senkung der Energiekosten wurde in den letzten Jahren an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) intensiv an der Entwicklung der Temperaturstrategie "Weihenstephaner Modell", einer Kombination aus Warm Evening und Cool Morning ohne Zwangslüftung gearbeitet.

In lichtreichen Herbstwochen in Südbayern, Standort Freising HSWT konnte mit dieser Strategie eine Energieeinsparung von 30 bis 40 % erreicht werden. In Nordbayern, Standort Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim (LWG), wurde das Klimamodell bislang nur mit Entfeuchtungsstrategie realisiert.

In einem gemeinsamen Versuch der HSWT und der LWG Veitshöchheim wurden an dem jeweiligen Standort die Anwendungen des Weihenstephaner Modells unter gleichen kulturtechnischen Parametern bei Euphorbia pulcherrima zeitgleich getestet. Im gemeinsamen Versuch standen 10 Sorten in der Hauptfarbe Rot. Im Vordergrund stand die Produktion von Qualitätspflanzen unter Berücksichtigung einer praxisnahen Flächenbelegung. Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit einer Luftentfeuchtung und die Auswirkungen einer "verlängerten Cool Morning"-Strategie untersucht.

Aus dem Versuchsplan geht hervor, dass an beiden Standorten ein Basis- "Weihenstephaner Modell" installiert wurde. In Veitshöchheim wurde als weiterer Faktor eine Entfeuchtungsstrategie bei einem Grenzwert von 90 % relativer Feuchte (rF) angewendet. In Weihenstephan wurde zusätzlich zu dem Basismodell die "Cool Morning"-Phase auf zehn Stunden verlängert, wobei die Temperaturuntergrenzen und die Tag- und Nachtsollwerte verändert wurden. Sämtliche direkten Kulturmaßnahmen wurden an beiden Standorten zeitgleich durchgeführt.

Sonnenstunden und PAR-Einstrahlung

Abbildung 1: Aufzeichnung der Sonnenstunden im Zeitraum von Kalenderwoche (KW 48-48); Quelle: Deutscher WetterdienstZoombild vorhanden

Abbildung 1: Sonnenstunden

Die Sonnenstunden im Kulturzeitraum Oktober und November 2014 lagen sowohl in Veitshöchheim als auch in Weihenstephan deutlich unter dem langjährigen Mittel. Die Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes sind in der Abbildung 1 ersichtlich.

In Weihenstephan wurden im Oktober insgesamt 82 Sonnenstunden (h) registriert, dies waren 71,2 % oder 33 h weniger als im langjährigen Mittel. Im November wurden 52 h aufgezeichnet, dies entsprachen 82,5 % oder 11 h weniger als im langjährigen Mittel.

In Veitshöchheim schien die Sonne im Oktober insgesamt 74 h. Dies bedeutete 30 h weniger oder 71,2 % des langjähren Mittels. Im November wurden nur noch 41 h aufgezeichnet, gleich bedeutend mit 78,8 % oder 11 h weniger als im langjährigen Vergleich.

Abbildung 2: Aufzeichnungen der PAR-Strahlung im Zeitraum von Kalenderwoche (KW) 40-48; Quelle: Deutscher WetterdienstZoombild vorhanden

Abbildung 2: PAR

Insgesamt gesehen war der Herbst 2014 sehr neblig mit vergleichsweise geringer Sonneneinstrahlung. So konnte zum Beispiel in Veitshöchheim in der letzten Kulturwoche (KW 48) keine einzige Sonnenstunde registriert werden.

Das für die Pflanzen fotosynthetisch nutzbare Licht während der Induktions- und Brakteenausbildungsphase (KW 40 - KW 48) erreichte in Veitshöchheim Werte von 7802 PAR (J/cm²) und in Weihenstephan immerhin 8732 PAR. Diese Werte gelten für das Freiland (siehe Abbildung 2).

Gewächshausklima und Tagesmitteltemperaturen

Das tatsächlich verfügbare Lichtangebot im Gewächshaus wird von vielen Faktoren beeinflusst. Messungen in Weihenstephan haben ergeben, dass den Pflanzen in den dortigen Gewächshäusern durchschnittlich 65 bis 70 % des Außenwertes an fotosynthetisch nutzbarem Licht zur Verfügung stehen. In Veitshöchheim beträgt die Außenlichtdämpfung aufgrund der Blockbauweise und der technischen Versuchseinrichtungen sogar 40 %.

Die gemessenen Durchschnittstemperaturen in den Gewächshäusern unterschieden sich zwischen Veitshöchheim und Weihenstephan kaum. Zu Kulturbeginn lagen die Tagesmitteltemperaturen (TMT) bei 24 °C, in der Hauptwachstumsphase (KW 36 bis 39) bei etwa 21 °C, zur Induktion (KW 40 bis 43) bei 19 °C und zur Brakteenentwicklung (KW 44 bis 48) bei 16 °C. In Weihenstephan sogar geringfügig niedriger.

In Veitshöchheim kam von KW 37 bis KW 48 ein Entfeuchtungsprogramm bei einem Grenzwert von 90 % rF zum Einsatz. Bis zur KW 39 wurde an 8 Tagen entfeuchtet, von KW 40 bis KW 43 an 22 Tagen und von KW 44 bis KW 48 an 13 Tagen. Die Luftfeuchte stieg des Öfteren sowohl im Gewächshaus mit als auch im Gewächshaus ohne Entfeuchtungsstrategie über 90 % rF an. Im Zeitraum von Anfang bis Mitte Oktober stiegen die Maximalwerte im Gewächshaus mit Entfeuchtung bis 93 % rF.

Qualität und Kulturdauer

Die Bonitur der Verkaufsreife wurde sortenspezifisch durchgeführt. Die wichtigsten Beurteilungskriterien waren hierbei die Brakteengröße und die Entwicklung der Cyathien.

Unter den Klimabedingungen in Veitshöchheim konnten nur fünf Sorten den Absatztermin in Kalenderwoche 47 oder 48 einhalten. In der Regel waren Kulturzeitverlängerungen von sieben bis zehn Tagen zum erwarteten Vermarktungszeitpunkt zu beobachten. Darüber hinaus verzögerte sich die Kulturzeit um drei bis vier Tage, wenn in den Gewächshäusern eine gesteuerte Luftentfeuchtungsstrategie durchgeführt wurde.

In Weihenstephan waren die Weihnachtssterne je nach Sorte in KW 47 oder KW 48 verkaufsfertig. Die Pflanzen präsentierten sich in sehr guter äußerer Qualität, waren kompakt und gesund. Die Kulturdauer aller Sorten an beiden Versuchsstandorten und unterschiedlichen Behandlungen ist in Tabelle 2 zusammengefasst. Eine besonders kurze Kulturdauer benötigten die Sorten 'Titan Red', 'Prima Donna', 'Santana Red', und 'Happy Day'. Ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen in Veitshöchheim wurde in Weihenstephan keine Verlängerung beobachtet.

Eine frühere Verkaufsreife ergab sich, wenn die Pflanzen mit weitem Standraum (8,5 Pfl/m²) kultiviert wurden. Hier waren im Vergleich zu den eng kultivierten Sorten an beiden Versuchsstandorten die Brakteen größer und die Pflanzen durchschnittlich um zwei Tage früher vermarktungsreif (siehe Tabelle 2). Andere Qualitätskriterien wie Höhe, Durchmesser oder Anzahl der Seitentriebe und Cyathien unterschieden sich kaum.

Ähnliche Effekte konnten auch beim Vergleich der unterschiedlichen Temperaturführungen im Rahmen des "Weihenstephaner Modells" beobachtete werden. In den Varianten mit einem "verlängertem Cool Morning" und reduziertem Energieeinsatz, verlängerte sich die Kulturzeit um durchschnittlich zwei Tage. Auch hier kamen Sortenunterschiede zum Tragen.

'Prima Donna', links: LWG, rechts: HSWT

'Prima Donna' (Standort)

'Early Mars', links: LWG, rechts: HSWT

'Early Mars' (Standort)

'Titan Red', links: LWG, rechts: HSWT

'Titan Red' (Standort)

'Allegra Red', links: LWG, rechts: HSWT

'Allegra Red' (Standort)

'Superba Red Novita', links: LWG, rechts: HSTW

'Superba Red Novita' (Standort)

'Christmas Feelings', links: LWG, rechts: HSWT

'Christmas Feelings' (Standort)

'Happy Day', links: LWG, rechts: HSWT

'Happy Day' (Standort)

'Saturnus Red', links: LWG, rechts: HSWT

'Saturnus Red' (Standort)

'Santana Red', links: LWG, rechts: HSWT

'Santana Red' (Standort)

'Titan Red' 8,5-12 Pfl./m², Standort: HSWT

'Titan Red' (Standraum)

'Christmas Feelings' 8,5-12 Pfl./m², Standort: HSWT

'Christmas Feelings' (Standraum)

'Santana Red' 8,5-12 Pfl./m², Standort: HSWT

'Santana Red' (Standraum)

Diskussion und Ergebnisse

Obwohl die Pflanzen aus Veitshöchheim und Weihenstephan exakt gleiche Behandlungen erfahren haben, waren die Wachstumsergebnisse sehr unterschiedlich. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich in der Pflanzenhöhe, in der Brakteengröße und hinsichtlich der Kulturdauer.

Die Rahmenbedingungen für eine Poinsettienkultur waren an beiden Standorten keineswegs optimal, da der Herbst 2014 im Vergleich zum langjährigen Mittel insgesamt sehr wenig Licht zu bieten hatte. Die Bedingungen waren aber in Weihenstephan noch deutlich besser, als am nördlichen Standort Veitshöchheim.

Die Wachstumsergebnisse der Sorten mit weitem Standraum unterstreichen die Bedeutung des Lichtes. Diese Pflanzen hatten durchwegs größere Brakteen und waren früher verkaufsfertig. Da die Umgebungstemperaturen in den einzelnen Gewächshäusern für alle Pflanzen gleich waren, kann nur der erhöhte Lichtgenuss bei großzügigen Standweiten zu diesem optisch erkennbaren Entwicklungsvorsprung geführt haben. Man muss davon ausgehen, dass die Kulturergebnisse an den unterschiedlichen Versuchsstandorten nicht nur durch die tatsächlich vorhandene Einstrahlung, sondern auch durch die Lichtdurchlässigkeit der Gewächshäuser und den Schattenwurf durch technische Verbauungen im Giebelbereich beeinflusst wurden.

Die Veitshöchheimer Ergebnisse zeigen, dass das "Weihenstephaner Modell" bei ungünstigen Lichtbedingungen an Grenzen stoßen kann. Es wird deshalb stets empfohlen, die Pflanzenbestände genau zu beobachten, um gegebenenfalls eine rechtzeitige Rückkehr zu üblichen Temperatureinstellungen vorzunehmen. Andererseits zeigen die Ergebnisse in Weihenstephan, dass sämtliche untersuchten Sorten, auch bei einem "verlängerten Cool Morning" und damit bei zusätzlich reduziertem Energieangebot, bei ausreichend guten Lichtbedingungen in ausgezeichneter Qualität und termingerecht zu kultivieren sind. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Kulturzeit gegenüber dem Basis-"Weihenstephaner Modell" durchschnittlich um zwei Tage verlängert war und die Kulturdauer nicht überschritten wurde. Sortenunterschiede und die Wechselwirkungen von Licht- und Temperatureinflüssen sind zu berücksichtigen.

Die Reaktionsdauer der einzelnen Sorten beginnt mit der Umstellung zum generativen Wachstum. Im Gemeinschaftsversuch wurde als Bezugsgröße für alle Sorten der 1. Oktober festgelegt. Im Ergebnis war die Kulturdauer in Weihenstephan immer kürzer als in Veitshöchheim, allerdings auch kürzer als die angegebenen Reaktionszeiten der Jungpflanzenfirmen. Nachdem auszuschließen ist, dass die Pflanzen in Weihenstephan zu früh als "verkaufsfertig" bestimmt wurden, kann eigentlich nur eine verfrühte Blüteninduktion als Ursache angesehen werden. Tatsache ist, dass die Wetterlage in Weihenstephan Ende September/Anfang Oktober (KW 40) durch Hochnebel und extrem geringe Sonneneinstrahlung geprägt war. Möglicher Weise ist dadurch bereits eine frühzeitige Induktion der Pflanzen eingeleitet worden. Andererseits kann die hohe Einstrahlung in Veitshöchheim eine mögliche Blüteninduktion verzögert haben. Auch hier sind Sortenunterschiede zu beachten. Die Tagesmitteltemperaturen in den einzelnen Versuchsgewächshäusern lagen in der KW 40 bei 19 und 20 °C und können somit als Ursachenerklärung für eine zeitlich unterschiedliche Blüteninduktion nicht dienen.

Fazit

Die vorliegenden Ergebnisse sind ein Beleg dafür, dass Gemeinschaftsversuche sehr sinnvoll sind, vor allem wenn örtliche Klimabedingungen in die Betrachtungen einfließen. In Veitshöchheim zeigten die Ergebnisse, dass das "Weihenstephaner Modell" bei ungünstigen Rahmenbedingungen an seine Grenzen stößt. Die Pflanzenqualitäten aus der nordbayerischen Produktion waren aufgrund der geringen Lichtmenge in Kombination mit einer durch den Cool Morning bedingten niedrigen Tagesmitteltemperatur während der Brakteenentwicklungsphase insgesamt wenig zufriedenstellend. Darüber hinaus verlängerte sich die Kulturzeit bei einzelnen Sorten um bis zu zehn Tagen, was den Gesamtenergiebedarf der Kultur negativ beeinflusste.

In Weihenstephan dagegen ein komplett anderes Bild. Hier präsentierten sich die Pflanzen in hoher Qualität, sehr wüchsig, kompakt und waren vor oder zum erwarteten Vermarktungszeitpunkt verkaufsfertig.

Eine Aktivierung einer automatisch geregelten Gewächshausentfeuchtung brachte unter den hohen Hygienebedingungen in den Veitshöchheimer Gewächshäusern keine messbaren pflanzenbaulichen Vorteile.

Die Veränderung der "Cool Morning"-Strategie bietet, zumindest unter Weihenstephaner Bedingungen, eine interessante Möglichkeit den Energieverbrauch nochmals zu reduzieren, ohne Qualitätsverluste hinnehmen zu müssen

Autoren:

Eva-Maria Geiger und Hubert Hanke, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim,
Hans Peter Haas, Prof. Dr. Bernhard Hauser und Franziska Kohlrausch, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Literatur:

Agrarmeteorologischer Monatsbericht
Deutscher Wetterdienst, Niederlassung Weihenstephan, 85354 Freising