Mit Landwirtschaft Lebensraum erzeugen!
Wildpflanzenmischungen für die Biogasanlage - Was konventionelle Landwirte heute schon tun können, um die Biodiversität in der Agrarlandschaft zu fördern.

Ernte des Veitshöchheimer Hanfmix im zweiten Standjahr: Es dominieren Fenchel, Wilde Karde und Färberkamille. (Bildautor: Dominik Kretzer)
Seit dem Volksbegehren für mehr Artenvielfalt in Bayern wächst der Druck auf die Landwirtschaft, sich mehr für den Artenschutz und die Biodiversität in der Agrarlandschaft einzusetzen. Hierbei wird von der Bevölkerung leider oft übersehen, dass ein Landwirt wirtschaftlich handeln und manchmal Entscheidungen treffen muss, die auch seinem eigenen ökologischen Bewusstsein widersprechen. Doch es gibt eine Lösung, mit der sich Biodiversität und Produktivität auf einzigartige Weise auch auf konventionellen Äckern verbinden lassen: Wildpflanzenmischungen für die Biogasproduktion.
Bereits seit 1996 arbeitet die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim an der Entwicklung von artenreichen und mehrjährigen Blühmischungen für Stadt und Land. Aus dieser langjährigen Erfahrung ist eine Wildpflanzenmischung entstanden, die bedenkenlos zur Erzeugung von Biogas eingesetzt werden kann: der Veitshöchheimer Hanfmix. Die Mischung besteht aus 28 einjährigen und mehrjährigen Wildpflanzen und ist darauf abgestimmt, ein reiches Blütenangebot mit Biomasseproduktion zu verbinden. Hierfür werden sowohl Arten mit hoher ökologischer Wertigkeit als auch besonders massewüchsige Arten eingesetzt, wie beispielsweise der Rainfarn, der ab dem dritten Standjahr Hauptmasseträger ist. Der namensgebende Hanf hingegen dient den mehrjährigen Wildstauden als Ammenpflanze bei ihrer Etablierung und liefert im ersten Jahr, zusammen mit den Sonnenblumen, die Masse für die Biogasanlage.
Das reiche Blütenangebot bietet ausreichend Pollen und Nektar für vielerlei Insekten und zahlreiche Wildbienen, die vielerorts durch den Mangel an Blütenpflanzen in der Landschaft besonders bedroht sind. Durch die lange Stand- und Nutzungsdauer von mindestens 5 Jahren und die geringe Anzahl notwendiger Arbeitsgänge eignet sie sich außerdem als Lebensraum und Rückzugsort für Vögel und Niederwild. Die Biodiversität in der Agrarlandschaft wird durch den Veitshöchheimer Hanfmix nicht nur erhalten, sondern aktiv gefördert: so konnte im Untersuchungszeitraum von 2012-2014 eine starke Zunahme der Brutreviere von z.B. Feldlerche und Grauammer in den Flächen nachgewiesen werden. Aber nicht nur ökologisch, auch optisch trägt der Hanfmix zur Bereicherung der Landschaft bei. Stockrosen, Muskatellersalbei und Wegwarte blühen in den buntesten Farben und erfreuen nicht nur den Landwirt, sondern auch vorbeikommende Passanten, was dem Image der Bauern in der Gesellschaft gut tut.
Diese zahlreichen Vorteile verbindet der Veitshöchheimer Hanfmix mit landwirtschaftlicher Produktivität. Bei der Aussaat ist zu beachten, dass um den Beikrautdruck gering zu halten keine ehemalige Stilllegungsfläche, sondern ein Acker gewählt werden sollte. Da es sich bei den meisten Wildpflanzen um Lichtkeimer handelt, ist es außerdem wichtig das Saatgut obenauf liegend zu säen. Nach erfolgreicher Etablierung der Mischung sind nur noch zwei Arbeitsgänge im Jahr notwendig: ernten und düngen. Hierbei ist der Einsatz von Düngemitteln gering und zur Düngung können um den Kreislauf zu schließen Gärreste aus der Biogasanlage verwendet werden. Pflanzenschutz und weitere Pflegemaßnahmen entfallen. Die Pflanzen werden im Juli geerntet und können dann zur Erzeugung von Biogas genutzt werden. Nach der Ernte kommt es noch einmal zu einer Nachblüte, die Insekten bis in den Oktober hinein mit Nektar und Pollen versorgt. Untersuchungen der LWG in Kooperation mit der LfL und dem TFZ haben gezeigt, dass sich die Stauden problemlos silieren und in der Biogasanlage einsetzen lassen. Der Ertrag bleibt über die Standjahre stabil und der Methanhektarertrag entspricht in etwa 35-45% von Silomais. Doch in trockenen Jahren zeigt der Veitshöchheimer Hanfmix auch in der Produktivität sein Vorteile gegenüber Mais: die mehrjährigen Stauden bilden tiefe Wurzeln aus und kommen auch bei anhaltender Trockenheit noch an Wasserreserven, wodurch der Bestand massig und frisch bleibt. Hinzu kommen der Erosionsschutz und minimale herbstliche Nmin-Gehalte im Boden, weshalb sich die Mischung auch für Hänge und Flutpolder anbietet. Die Kosten des Hanfmix liegen bei 450 Euro pro Hektar. Der Energiewirt muss mit wirtschaftlichen Einbußen rechnen, die von der Gesellschaft durch Zuschüsse kompensiert werden sollten.
In der Rhön konnten viele Landwirte bereits von den Vorteilen der Mischung überzeugt werden. Auf 100 Hektar wird im Landkreis Rhön-Grabfeld auf Initiative der Agrokraft und mit Unterstützung durch den Bayerischen Naturschutzfonds bereits erfolgreich Biogas aus Wildpflanzen erzeugt. Auch wenn es anfänglich etwas Mut verlangt, sich auf diese neue Ansaat einzulassen und nicht alles immer reibungslos abläuft, zeigen sich alle beteiligten Akteure vom Endresultat begeistert. Das Besondere dort: Bauernverband und Bund Naturschutz ziehen an einem Strang!
Durch die frühzeitige und vorausschauende Forschungsförderung ab 2008 seitens des StMELF und der FNR steht nun mit dem Veitshöchheimer Hanfmix der konventionellen Landwirtschaft ein Werkzeug zur Verfügung, womit unter Produktionsbedingungen nachweislich Biodiversität gefördert wird.