61. Fränkische Weinwirtschaftstage / Veitshöchheimer Weinbautage
Der Weinbau in Bayern: Bereit für die Zukunft?
Die fränkischen Weinwirtschaftstage 2019 waren ein voller Erfolg. Über 600 Interessierte kamen am 29. und 30. Januar nach Veitshöchheim, um sich über die neuesten Entwicklungen im Weinbau und in der Kellerwirtschaft zu informieren. Die Verantwortlichen hatten ein umfangreiches und spannendes Programm zusammengestellt. Nach den Grußworten des Präsidenten der LWG, Dr. Hermann Kolesch und der amtierenden Fränkischen Weinkönigin Klara Zehnder referierte der Wirtschaftsweise und Würzburger Universitätsprofessor Dr. Peter Bofinger über das Spannungsfeld Weltwirtschaft.
Zum Tagungsprogramm und den Vorträgen
Konsortium Franken g.U. - 360 Jahre Silvaner
Den Auftakt für das Vormittagsprogramm legte Prof. Dr. Bofinger. Der langjährige "Wirtschaftsweise" stellte die Frage in den Raum, wo die Unsicherheit in der Bevölkerung herkommt, obwohl wir in Zeiten eines wirtschaftlichen Aufschwungs leben, in der die Arbeitslosigkeit so gering ist, wie noch nie. Entscheidend sei die Weltwirtschaft, für die die politischen Krisenherde hohe Risikofaktoren sind. Prof. Bofinger forderte mehr Mut zu Europa und höhere Investitionen im Bildungsbereich, um so in die eigene Zukunft zu investieren und sich langfristig gegen die Wirtschaftskonkurrenten USA und China behaupten zu können.
Anschließend wurde der Fokus auf das Weinmarketing und die Umsetzung der EU-Vorgabe, die die Einführung des romanischen Bezeichnungssystems in Deutschland bzw. Franken fordert, gelegt. Die Referenten, Klaus Schneider (Präsident des Deutschen Weinbauverbands), Artur Steinmann (Präsident des Fränkischen Weinbauverbands) und Hermann Schmitt (Geschäftsführer des Fränkischen Weinbauverbands) zeigten Vorschläge und Chancen auf, wie es über Produktspezifikationen und der Profilierung der Herkunft gelingen kann, unseren Frankenwein stärker und besser zu positionieren. Wichtig dabei sei, dass alle (Winzer, Interessensverbände) an einem Strang ziehen. Um diese Position zu verdeutlichen, ließ Hermann Schmitt das Auditorium sich erheben, um gemeinsam die fränkischen Silvaner-Schlagworte „echt“, „verwurzelt“, „Trias“, „kulturreich“ und „Passion für Perfektion“ zu bekräftigen.
Das Jahr 2018: Klimawandel - Ertragsregulierung - Reife
Am Nachmittag des ersten Weinwirtschaftstages standen die durch den Klimawandel bedingten weinbaulichen Herausforderungen sowie die Ertragsregulierung und Reifeverzögerung im Vordergrund. Heiner Hofmann (LWG) zeigte anschaulich, dass sich der Klimawandel seit Jahren durch Beobachtung der Rebenentwicklung im Jahresverlauf nachverfolgen lässt. In den 1970er – 1990er Jahren wurden ein verfrühter Knospenaustrieb, sowie früherer Blüte- und Reifebeginn zwar auch ab und zu verzeichnet, die witterungsbedingten verspäteten Austriebe und Reifeverläufe waren jedoch auch regelmäßig zu beobachten. Beide Abweichungen vom langjährigen Mittel hielten sich in etwa in Waage. Seit 2000 traten jedoch fast nur noch verfrühte Phänologieereignisse auf. Durch die frühere und beschleunigte Rebenentwicklung ergeben sich neue Gefährdungspotentiale (Spätfrostereignisse, Reifebeginn im heißen Sommer, etc.), auf die mit entsprechenden Maßnahmen reagiert werden muss.
Wurzelwachstum und Wurzelverteilung der Rebe
Artur Baumann vom Weinbauring Franken räumte mit der tief verwurzelten Annahme auf, das Reben weit in den Boden reichende Wurzeln ausbilden. Anhand eigenständig ausgegrabener Wurzeln veranschaulichte er bildhaft, dass Reben in verdichteten Böden den Weg des geringsten Widerstandes wählen und eher flache, weitverzweigte Wurzeln besitzen. Aufgrund dieser Erkenntnisse forderte Baumann die Winzer auf, sich selbst Einblicke in das Wurzelwerk bei eigenen Rebflächen zu verschaffen, um die Bodenbearbeitung entsprechend anzupassen. Baumann wies darauf hin, dass Reben gerne Regenwurmbohrgänge für den Wurzelverlauf nutzen. Mit Begrünungskonzepten sollten die tierischen Wegbereiter der Rebwurzeln daher entsprechend gefördert werden.
Geheimnisse des Alters: Von jungen und alten Reben
Eine weitere weitverbreitete Annahme wurde von Prof. Dr. Manfred Stoll (Hochschule Geisenheim) genau untersucht: Lassen sich aus alten Reben (50+ Jahre) Weine mit höherer Qualität aufgrund ausgeglichener Wüchsigkeit, geringerem Ertrag und Wasserstressanfälligkeit erzeugen im Vergleich zu alternden (20-40 Jahre) und jungen Reben (7 -10 Jahre)? Das Resultat war für viele im Publikum überraschend. Alte Reben weisen zwar eine höhere Toleranz gegenüber Trockenstress auf, jedoch ist bei alten Reben weder der Stockertrag niedriger, noch ist die Beerengrößenverteilung eine andere wie bei alternden und jungen Reben. Zum Aufhorchen führte der sensorische Vergleich der unterschiedlichen Rebengenerationen. Dieser zeigte deutlich, dass sich die Geschmacksunterschiede mit der Lagerzeit aufheben. Prof. Dr. Stoll führte an, dass auch auf diesem Themenfeld – Veränderung der Weine mit der Lagerzeit – noch erheblicher Forschungsbedarf besteht.
Wie kann die Reife bei Reben verzögert werden?
Maßnahmen, um der Lesereife im August und somit auch den hohen Zuckergehalten in den Trauben (und Alkoholgehalten im Wein) entgegenzuwirken, stellte Dr. Daniel Heßdörfer (LWG) im Rahmen der neuesten Forschungsergebnisse zur Reifeverzögerung vor. Die Reifeverzögerung um 14 Tage gelang, indem die Blattfläche durch starke Entblätterungsmaßnahmen drastisch reduziert wurde. Ein – im Hinblick auf den Klimawandel – interessantes Nebenergebnis des Versuchs war der deutlich reduzierte Wasserbedarf der stark entlaubten Rebstöcke, die dadurch Trockenstress vermeiden konnten. Dr. Heßdörfer machte jedoch deutlich, dass derart massive Eingriffe in den Assimilathaushalt der Rebe Einfluss auf die Weinstilistik haben. Er forderte daher in seinem Vortrag eine Umkehrung der Forschungsaktivitäten von der Optimierung der Reifebedingungen hin zur Auswirkung der Reifeverzögerungen auf die Rebe und den entsprechenden Wein.
Wundermittel Biokohle? - Einfluss auf Wasserhaushalt und Nährstofffixierung
Ein neues schlagkräftiges Werkzeug für den Weinbau stellte Frau Prof. Dr. Kammann (Hochschule Geisenheim) vor. Sie forscht seit mehreren Jahren an der Verwendung Biokohle im Weinberg. Die ersten Forschungsergebnisse stimmen positiv: Biokohle unterstützt das organische Nährstoffmanagement, reduziert Nitratverluste und N2O-Emissionen und verbessert den Kompostierverlauf. Auch Bodenlebewesen profitieren vom Einsatz der Biokohle im Weinberg. Prof. Kammann betonte jedoch, dass die Biokohle kein Wundermittel sei und es noch erheblichen Forschungsbedarf zu den Effekten der Biokohle im Hinblick auf den Wasserhaushalt und den veränderten klimatischen Bedingungen (z. B. wärmere Winter) gibt.
Beikrautregulierung - Status und Ausblick: Alternativen zum Herbizideinsatz
Zum Abschluss des ersten Tages stellte Christian Deppisch (LWG) das neue Forschungsprojekt der LWG zur alternativen Beikrautregulierung vor. Erste Voruntersuchungen ergaben, dass das Verfahren einer aufspritzbare Mulchfolie, wie sie in der Landwirtschaft bei Silos verwendet wird, sehr vielversprechend ist. In den nächsten drei Jahren gilt es, die Methode für den Weinbau praxisgerecht zu entwickeln. Natürliche Alternativen mit phytotoxischer Wirkung (z. B. Pelargonsäure) besitzen vermutlich eine zu geringe Wirkungsdauer und sind in der Anwendung (noch) zu teuer. Derzeit stehen den Winzern nur mechanische Verfahren zur Entfernung des Unterstockbewuchses zur Verfügung.
Impressionen der 61. Veitshöchheimer Weinbautage / Fränkische Weinwirtschaftstage
Frankens Internationale Kompetenz: Silvaner
Wie gelingt es, Franken auf den internationalen Weinmarkt zu etablieren und den Silvaner als fränkisches Aushängeschild zu positionieren? Können bereits international „bekannte“ Rebsorten wie Chardonnay, Weißburgunder oder Sauvignon Blanc als Türöffner dienen? Der zweite Tag der Weinwirtschaftstage stand ganz im Zeichen dieser Fragen. Um den Antworten ein Stück näherzukommen, hatten die Verantwortlichen Wilhelm Klinger vom Weinmarketing Österreich eingeladen, der die Strategien vorstellte, mit denen in Österreich der erfolgreiche Weg auf die internationalen Märkte gelang. Grundstein des Erfolgs war eine konsequente Image- und Öffentlichkeitsarbeit, in Verbindung mit einem starken Brand- und Herkunftsmarketing. Um international erfolgreich zu sein, empfiehlt Klinger die Verzahnung von Marke und Herkunft: zunächst die Marke durch die Herkunft zu stärken umso die Herkunft zur Marke zu machen. Wichtig dabei sei, dass die Dachmarke mit den Betrieben zusammenarbeitet.
Internationale Kompetenz: "Burgunder & Sauvignon Blanc - Stile und Ausbau"
Im Folgenden stellten Hermann Mengler vom Bezirk Unterfranken, Johannes Burkert (LWG) und Bernhard Schandelmaier (DLR Rheinpfalz) die unterschiedlichen Stile und Ausbauvarianten bei Burgunderrebsorten, Sauvignon Blanc und Top-Rotweinen vor. Mengler betonte, dass bei Burgundersorten die Typizität und Herkunft nicht durch eine Oechslerallye, sondern durch eine sorgfältige Auswahl des Lesezeitpunktes erreicht wird – „weniger (Oechsle) sei dabei mehr (Typizität und Herkunft)“, da der Säuregehalt und der pH-Wert zum Lesezeitpunkt den Weinstil und die Reifung entscheidend prägt. Wohin der fränkische Weg beim Sauvignon Blanc führt, fragte Johannes Burkert in seinem Vortrag. Bei dieser Rebsorte können grundlegend zwei Weinstile, der „Exotische“ und der „Grüne“ erzeugt werden. Werden die Reben in kühleren Lagen gepflanzt und früh gelesen, wird der grüne, nach Paprika schmeckende, Weinstil erreicht. Möchte man den exotischen, nach Früchten schmeckenden Wein erzeugen, muss eine gute Lage gewählt werden, bei der die Trauben eine hohe Reife erreichen.
Internationale Kompetenz: "Top - Rotweine, Pinot & Cuvée"
Bernhard Schandelmaier von der DLR Rheinpfalz stellte in seiner Präsentation den „Jahresplan“ für die Erzeugung eines Top-Rotweines vor. Dazu muss der Jahrgang die Reife erreichen und die Beeren möglichst klein gehalten werden. Schonender Maischetransport, Saftentzug und Extraktion sind dabei ebenso nötig, wie der Ausbau in einem hochwertigen Barrique und eine später biologischer Säureabbau.
Internationale Weinverkostung großer trockener Gewächse
In der Weinprobe, die mit ca. 350 Teilnehmern einen neuen Besucherrekord verzeichnete, konnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit fränkischer Weine verkostet werden. Bei sechs zu verkostenden Weinpaaren (Frankenwein – internationaler Wein) wurde der fränkische Partner durch die Mehrheit stets „herausgeschmeckt“ – stellte er sich doch häufig durch die Mineralität und leichte Salzigkeit als der spannendere Wein auf der Zunge dar. Die Teilnehmer der Weinprobe zeigten sich begeistert aufgrund der Vielfalt und Qualität der zu verkostenden Weine. Wohin der fränkische Weg international führen kann, wurde dabei eindrücklich deutlich. Machen wir uns also auf den Weg!
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Die 62. Fränkischen Weinwirtschaftstage / Veitshöchheimer Weinbautage finden vom 3. bis 4. März 2020 statt.
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