Nachbericht
Weinwirtschaftstage 2020
Hochkarätig, umsichtig im Umgang miteinander und auch überraschend – so verliefen die fränkischen Weinwirtschaftstage 2020 am 03. und 04. März in den Mainfrankensälen Veitshöchheim. Trotz drohender Corona-Gefahr, verstärkten Hygienehinweisen und veränderten Begrüßungsformen hielt dies 600 Winzer und Weinbauinteressierte nicht davon ab, sich persönlich über die aktuellsten Entwicklungen im Weinbau und in der Kellerwirtschaft zu informieren.
Die Verantwortlichen hatten ein umfangreiches und spannendes Programm zusammengestellt, das den Fokus auf praktikable Lösungswege der weinbaulichen und kellerwirtschaftlichen Herausforderungen in Bezug auf Klimawandel, Wasserknappheit und Artenschutz legte.
Ein nachdenklicher und nachdrücklicher LWG-Präsident Dr. Hermann Kolesch eröffnete die Weinwirtschaftstage. In seinem Grußwort forderte er das Ende der Rechtfertigungsdiskussion seitens der Landwirtschaft. Es müsse nun proaktiv gehandelt werden, im Dialog mit der Gesellschaft. In Bezug auf den Klimawandel verlangte Dr. Kolesch die Zulassung der Wissenschaft – Schlagwort Gentechnik - im Weinbau.
Herzlich waren die Weingrüße der amtierenden Fränkischen Weinkönigin Carolin Meyer. Die angesichts des voll besetzten Saals die Gelegenheit nutzte, sich bei „ihren“ Winzern für die allerorts liebevolle Unterstützung während ihrer Amtszeit zu bedanken.
Es folgte der ungewöhnliche Vortrag des Direktors der FuturZwei-Stiftung Prof. Dr. Welzer, der klare Worte an Politik und Gesellschaft richtete. Dabei gelang Prof. Welzer das Kunststück trotz Beschreibung der grundlegenden Probleme und Fehlentwicklungen unserer „Entmündigungskultur“ eine nicht negative, sondern motivierende Stimmung zu schaffen. Auch er forderte Proaktivität. Zur Lösung der Probleme braucht es unkonventionelles Denken. Das Denken und Handeln nach immer steigendem Konsum und Wachstum sei die falsche Vorgehensweise. Prof. Welzer rief dazu auf, die Negativ-Arie verklingen zu lassen und stattdessen den Spirit der jungen Generation zu nutzen, unkonventionelle Bündnisse einzugehen und eine positive Zukunft zu gestalten.
Naturschutz und Weinbau – ist eine Partnerschaft möglich? Die Beantwortung dieser Fragen machten sich Anton Dippold (StMELF) und Richard Mergner vom Bund Naturschutz zum grundlegenden Thema ihrer Beiträge. Beide äußerten den Wunsch nach verstärktem Dialog zwischen Naturschutz und den Verantwortlichen der Landwirtschaft. Weinbaupräsident Artur Steinmann fasste die Leistungen der Winzer für den Artenschutz anhand zahlreicher Beispiele aus den Weinbergen zusammen. Er verdeutlichte die grundsätzliche Bereitschaft der Winzer für mehr Artenschutz, jedoch müssten dazu schnellstmöglich die ungeklärten rechtlichen Fragen – z.B. wie werden Rebflächen, auf denen Blühstreifen angelegt werden in Zukunft bewertet - angegangen werden.
Nach den allgemeinen Themen stand der Nachmittag ganz im Zeichen praktikabler Lösungen konkreter weinbaulicher Herausforderungen. Die zunehmenden Temperaturen zur Traubenreife führen zu hohen Zuckergehalten und somit zu hohen Alkoholgehalten im Wein – meist schon zu hoch bei der Lese. Dr. Daniel Heßdörfer (LWG) stellte die neuesten Forschungsergebnisse zu Reifeverzögerung mittels starker Entblätterungsmaßnahmen vor. Die teilweisen sehr drastischen Eingriffe (z. B. kompletter Rückschnitt belaubter Triebe) brachten jedoch die gewünschten Ergebnisse. Zudem reduzierte sich der Wasserbedarf der stark entlaubten Rebstöcke, wodurch Trockenstress vermieden wurde. Die Auswirkungen der Reifeverzögerung auf Weinstilistik und Lagerfähigkeit des entsprechenden Weines muss weiter untersucht werden.
Johannes Burkert (LWG) und Hermann Mengler (Bezirk Unterfranken) gingen genau diesem Thema nach: den Umgang mit vom Klimawandel beeinflussten Traubenmaterial und die Auswirkungen auf die Weinstilistik. Bei manchen Problemen kann der Winzer bereits im Weinberg gegensteuern: Laubwandmanagement, Lese bei kühlen Temperaturen in den frühen Morgenstunden. Doch auch kellerwirtschaftliche Maßnahmen wie geringe Standzeiten, schnelle Weiterverarbeitung, Sortierung nach Gesundheitszustand des Traubenmaterials tragen zum Erreichen des Ziels – qualitativ hochwertige Frankenweine - bei. Herr Burkert stellte jedoch klar, dass das Traubenmaterial aus den Weinbergen entscheidend sei. Zauberei ist auch in der Kellerwirtschaft nicht möglich.
Ist die Chipveredlung eine schnelle und effektive Methode um von klimagestressten Rebsorten auf klimaverträgliche Rebsorten umzustellen? Das Pilotprojekt der LWG stellte Christian Deppisch vor. Schnell wurde klar – die Methode verlangt eine sehr gute und intensive Vor- und Nachbereitung der entsprechenden Anlage. So müssen genügend Edelreiser (dreimal so viel wie benötigt) geschnitten und entsprechend gelagert werden. Das Veredeln an sich geht schnell dank der entsprechenden Spezialisten aus Südamerika. Wie sich die chipveredelten Rebstöcke weiter entwickeln, ob es Unterschiede bei den Unterlagen gibt und wie sich die entsprechenden Weine präsentieren, bleibt Gegenstand der aktuellen Forschung an der LWG.
Dass es in Zukunft mithilfe neuester Maschinentechnik ohne Glyphosat gehen kann, zeigte Burkard Graber (LWG) anhand vieler Einspielungen. Die verschiedenen Methoden verbindet die schonende Bodenbearbeitung mit der Vermeidung tieferer Erosionsrinnen. Achtsame Bodenpflege um die kostbare Ressource Wasser im Boden zu halten stand bei dem Vortrag von Artur Baumann vom Weinbauring im Vordergrund. Die Notwendigkeit Wasser einzusparen wurden den Zuhörern beim Vortrag von Dr. Andreas Kolbinger (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucheschutz) deutlich vor Augen geführt, der die bayerischen Wasserressourcen und zukünftige Wasserverteilung im Zuge des Klimawandels anschaulich darstellte. Abgerundet wurde der Themenblock Wasser durch einen weiteren Vortrag von Dr. Daniel Heßdörfer, der die digitale Trockenstressbestimmung und die damit zielgenaue Bewässerung bei Reben vorstellte.
Am zweiten Tag der Weinbautage machte Staatsministerin Michaela Kaniber den Winzern Mut. Sie stellte finanzielle Unterstützung bei Maßnahmen zum Artenschutz und bei der Bewässerung in Aussicht. Sie versprach sich weiterhin mit voller Kraft für die Winzer einzusetzen. Nach der „offiziellen“ Rede folgte die große Überraschung. Als Dank für sein unermüdliches Engagement für den bayerischen Weinbau verlieh Frau Ministerin Kaniber LWG-Präsident Dr. Hermann Kolesch die Silberne Staatsmedaille.
„In Franken noch Luft nach oben“ war die Aussage von Wilhelm Lerner von der Marktforschungsagentur `Wine Intelligence´. Franken besitze eine gute Ausgangsposition, doch nutze sein Potential bei potentiellen Käufern nicht aus. Lerner sieht gute Möglichkeiten, außerhalb des Kerngebietes neue Märkte für den Frankenwein zu erschließen. Gerade in der jetzigen Zeit wird wieder verstärkt Wert auf Regionalität gesetzt. Käufer sind bereit mehr Geld für Qualität auszugeben. Dennoch müsste das Potential zur Profilierung und Schärfung der Marke Frankenwein weiter ausgeschöpft werden.
Prickelnd waren die Vorträge zur erfolgreichen Weinbereitung für hochwertige Sekte von Carsten Höfer (Sektkellerei Höfer) und Prof. Dr. Ulrich Fischer (DLR Rheinpfalz). Wie unterschiedlich Sekte schmecken, was Champagner geschmacklich auszeichnet und wo das Potential des Premium Rosé liegt, wurde in der Lehrweinprobe schäumend verkostet und bildeten den gelungenen Abschluss der 62. Fränkischen Weinbautage.