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Maschinelle Erntehelfer für den Streuobstbau

Äpfel hängen am Baum - Handernte oder mit Maschinen.

Vielen Bauern graut es vor der mühseligen Handarbeit bei den Erntearbeiten in den Obstwiesen. Doch das muss nicht sein, denn einige schwäbische Maschinenbaubetriebe haben „maschinelle Erntehelfer“ im Angebot. Fast jedes Jahr bringen die Tüftler pfiffige Neuigkeiten auf den Markt, die nach wie vor zu wenig bekannt sind.

Seilschüttler

Der am Traktor anzubauende Seilschüttler, bereits 1960 von Harter eingeführt, ist der klassische Einstieg in die maschinelle Streuobsternte. Mittlerweile werden vergleichbare Geräte von Feucht und Harter/Bäuerle ab 1.250 € netto angeboten, sie amortisieren sich schnell. Feucht hat davon bereits rund 4.000 Stück verkauft. Zwei bis drei Mal mit einem Flachband in der Krone eingehängt, sind die Früchte rasch abgeschüttelt.
Die Bedienung ist an sich problemlos. Optimal eignen sich Bäume mittleren Alters, die noch elastisch genug sind. Bei alten Bäumen muss der Bauer aufpassen, dass kein Ast abgerissen wird, oder eben doch per Hand schütteln. Für die Ernte kleinerer Früchte wie Zwetschgen oder Kirschen bietet Harter Auffangschirme mit 5,50m oder 8,00m Durchmesser an, die aber relativ ebene Obstwiesen voraussetzen.

Motorschüttler

Krauß verspricht seit Kurzem durch seinen motorbetriebenen Schüttelhaken, den Motorschüttler mit einem gepolsterten Schultertragegurt und ca. 4 m Arbeitshöhe, eine wesentliche Arbeitserleichterung, da das Schütteln in Handarbeit sehr kraftraubend ist.

Stammschüttler

Eher für den Lohnunternehmer oder den Maschinenring eignen sich die außerordentlich leistungsfähigen Hydraulikschüttler. Jüngere bis mittelalte Bäume werden einmal am Stamm gefasst, in Sekundenschnelle liegen die Äpfel oder Birnen am Boden. Bei großen Bäumen greift man in die Hauptäste der Krone. Im Vergleich zum Seilschüttler ist das Risiko der Baumbeschädigung deutlich geringer.
Lange Jahre war der HSA 10 von LIPCO, bestehend aus einem Teleskopausleger und einem daran aufgehängten hydraulischen Greifer (rund 14.500 €) konkurrenzlos. Mittlerweile hat Jürgen Feucht, der innovativste Unternehmer der Branche, gleich mehrere Hydraulikschüttler entwickelt. Vergleichbar zum HSA 10 ist der „Hydraulische Teleskop Schüttler“ (VHT). Daneben eignen sich für Streuobstwiesen mit höchstens mittelalten Bäumen der zapfwellenbetriebene „Mechanische Stammschüttler“ (VHM) für 7.250 € und der „Hydraulische Stammschüttler“ (VHB/VHD) ab 12.700 €.
Der Seilschüttler von Feucht, am Heck des Schleppers angebaut.

Seilschüttler

Streuobsternte Hydraulikschüttler

Hydraulikschüttler HSA-10

Der HSA-10 schüttelt in Sekunden schonend alle Früchte ab.

Hydraulikschüttler HSA-10

Handgeführte Obstauflesegeräte

Anfang 2004 kam der patentierte „Obstigel® HWO-01“ mit 83 cm Arbeitsbreite auf den Markt. Das Gerät wird geschoben, spießt mit Edelstahlstiften die Früchte auf und befördert sie in die beiden Sammelkörbe. 2005 folgte eine kleinere Maschine HWO-02 mit 57 cm Arbeitsbreite und kürzerem Stiftabstand, die sich speziell für das Aufnehmen kleinerer Früchte wie von einigen Mostbirnensorten eignet. Seit 2011 vertreibt Herbert Huemer aus Oberösterreich „Obstler“ genannte ähnliche Geräte mit 45, 62 und 92 cm Arbeitsbreite, neuerdings sogar einen Obstsammler mit Elektroantrieb.

http://www.obstsammler.com Externer Link

Der Obstigel® ist mit rund 1.700 € preisgünstig und kinderleicht zu bedienen. Die Aufleseleistung liegt mit bis zu 1,5 Tonnen pro Stunde 4-6 mal höher als bei Handarbeit. Ein Nachsortieren ist allerdings unvermeidbar, da Blätter und angefaulte Früchte mit aufgespießt werden. Nachteilig ist die Verletzung des Obstes (1-3 Einstiche pro Apfel), wodurch Saft austritt und der Fäulnisprozess beschleunigt wird. Bei einer Verarbeitung innerhalb von 1-2 Tagen (z.B. bei Bag-in-Box-Abfüllung) ist dies jedoch tolerierbar. Wer die schnelle Verarbeitung nicht garantieren kann, muss unbedingt andere Auflesegeräte wählen.
Eine besonders lobenswerte Innovation von Feucht ist der „Rollblitz“, ein pfiffiger Handsammler für kleine Früchte wie Walnüsse und Zwetschgen für rund 100 €. Diese werden in einem an einem Stiel befestigten flexiblen Drahtkorb von 35cm Länge aufgelesen und können dann in Eimern mit Hilfe eines Entleerungsbügels geschüttet werden, das Bücken entfällt. Verkaufstart war im Juni 2011, mittlerweile sind schon Tausende Geräte verkauft worden.
Motorbetriebene Sammler sind bei Feucht und Bäuerle zu bekommen. Den „Obstwiesel OW 85 h“ (knapp 8.000 €) gibt es seit 1984, damals eine bahnbrechende Innovation. Er ist auch heute noch der Klassiker unter den handgeführten Geräten. Feucht hat vergleichbare Geräte mit 50, 70 und 80cm Arbeitsbreite im Angebot, wobei die 80cm-Variante am häufigsten verkauft wird (rund 3.000 Stück). Preislich liegen die Geräte bei 4.500 bis 8.000 €.
Alle handgeführten Obstauflesegeräte sind klein und wendig, eignen sich deshalb für die typischen, unregelmäßig strukturierten Streuobstwiesen gut, ebenso für hängiges Gelände. Die Aufleseleistung liegt bei 1,8 – 2,0 Tonnen pro Stunde bei den größeren Varianten.
Die Äpfel werden beim Obstigel® HWO – 01 auf Edelstahlstifte aufgespießt – eine schnelle Verarbeitung ist unerlässlich.

Obstigel® HWO

Die handgeführte Obstauflesemaschine OB 80 von Feucht im Einsatz.

OB 80

Das Obstwiesel OW 85 H von Bäuerle; die vollen Körbe werden seitlich weggenommen.

OW 85 H

Selbstfahrende Obstauflesemaschinen

Feucht, Bäuerle und Krauß haben Anfang der 1990er Jahre größere Aufsitzgeräte auf den Markt gebracht. Sie verfügen alle über einen mehr oder weniger großen Sammelbunker, der eine hydraulische Entleerung auf den Anhänger ermöglicht. Mittlerweile sind sie in Arbeitsbreiten ab 80cm erhältlich. Das kleinste Aufsitzgerät bietet Feucht an, die OB 80 R für knapp 15.000 € (rund 600 x verkauft). 100 cm Arbeitsbreite haben die OB 100 A von Feucht für rund 19.000 € (rund 1.700 x verkauft) sowie von Krauß die SF 1000 und die leistungsfähigere SF 1000 A; beide gibt es wahlweise mit Benzin- oder Dieselmotor, sie kosten zwischen 16.000 € und 21.000 €.
Nur noch für sehr gleichmäßige Streuobstbestände eignen sich die größeren Selbstfahrer von Bäuerle, der 2006 eingeführte Obstwiesel OW 300 mit 125 cm Arbeitsbreite und einer Sammelleistung von 4t/h (ab 20.000 €) und der SF II mit 150 cm Arbeitsbreite und 5t/h (rund 25.000 €). Je größer das Gerät, desto günstiger müssen die Standortbedingungen sein, um noch wirtschaftlich arbeiten zu können.
Krauß SF 1000 mit Seitenräumer bei der Versuchsernte.

SF 1000

Die Obstauflesemaschine OB 100 A mit Seitenräumer von Feucht.

OB 100 A

Die Obstauflesemaschinen OB 80 R (links) und OB 100 A von Feucht.

OB 80 R (li.) und OB 100 A

Voraussetzungen für den Einsatz von Obstauflesegeräten

Grundsätzlich sollte der letzte Schnitt vor der Ernte mehrere Wochen her sein, damit kein Gras am (häufig feuchten) Erntegut hängen bleibt. Ab August sollte keine Beweidung mehr stattfinden. Da die Erntemaschinen alles auflesen, was am Boden liegt, sollte vor dem Schütteln das Fallobst von der Fläche entfernt werden. Dies kann auch mit dem Auflesegerät maschinell erledigt werden. Ansonsten muss ungeeignetes Obst nachträglich aussortiert werden. Alle Auflesemaschinen sind mehr oder weniger geländegängig. Dennoch gilt: je hängiger und kleinstrukturierter die Fläche ist, desto kleiner sollte das eingesetzte Gerät sein.

Wirtschaftlichkeit

Anhand mehrerer Versuchsbeerntungen hat der Autor Ende der 1990er Jahre Vergleichsrechnungen von einerseits Seilschüttler (Harter) und handgeführter Auflesemaschine (Obstwiesel OW 85h) sowie andererseits Hydraulikschüttler (HSA 10) und selbstfahrende Obstauflesemaschine (Krauß SF 1000) durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in verschiedenen Fachzeitschriften publiziert. Beide Varianten erzielten auch bei Berücksichtigung des Lohnansatzes und konventionellen Kelterobstpreisen Gewinn, lagen aber beide etwa auf gleichem Niveau. Die größeren Geräte sind zwar schneller und leistungsfähiger, aber auch wesentlich teurer, somit eher für den überbetrieblichen Einsatz geeignet. Einen entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben bei der Vielzahl an kleinen Streuobstwiesen jedoch Organisation und Logistik der Ernte.
Für den Einsatz eines Schüttlers sind betriebswirtschaftliche Fragen aber eher zweitrangig, entscheidend ist die enorme Arbeitserleichterung. Bei den Auflesegeräten und der damit verbundenen größeren Investition wird dagegen eher danach gefragt, ob sich der Einsatz rechnet. Bei Bäuerle und Feucht finden sich aufschlussreiche Kalkulationen auf deren Homepage, welche belegen, dass mit Maschineneinsatz der Streuobstbau wirtschaftlich betrieben werden kann.

Fazit

An der Rationalisierung des Streuobstbaus führt kein Weg vorbei. Fortschritt darf auch im Streuobstbau kein Fremdwort sein. Die Technik für eine effektive maschinelle Ernte ist da, sie muss nur genutzt werden, dann kann auch mit Streuobstbäumen im Bioanbau Gewinn erwirtschaftet werden. Fast jeder Teilnehmer einer Maschinenvorführung ist beeindruckt von der Leistungsfähigkeit der Maschinen; die systembedingten Nachteile der Erntetechnik (Äste, Blätter und angefaulte Früchte im Sammelgut, Liegenbleiben von Früchten in Furchen), sind tolerierbar. Für Lohnunternehmer oder den Maschinenring kann die Streuobsternte so zu einem wichtigen Standbein werden.
Künftig ist bei Neuanlagen unbedingt auf eine maschinengerechte Gestaltung von Streuobstwiesen zu achten. Dies bedeutet zunächst einen ausreichenden Reihenabstand von ca. 12m, weiterhin die Auswahl optimaler Mostsorten und schließlich eine Pflanzung dieser Sorten nach Reifezeit gegliedert, möglichst gleich mehrere Bäume einer Sorte hintereinander, um rationell ernten zu können. Traditionelle Streuobstwiesen mit einer Vielzahl an Arten und Sorten sind ungünstig zu beernten; es besteht gerade im überbetrieblichen Einsatz die Gefahr, dass unreife Früchte später Sorten gleich mitgenommen werden, was der Kelterei missfällt.
Somit kann die maschinelle Ernte einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung unserer ökologisch wertvollen Streuobstwiesen leisten. Ohne ein Mindestmaß an Wirtschaftlichkeit brechen die Bestände zusammen, woran weder die Obstverarbeiter noch die Verbraucher und die Kommunen ein Interesse haben können, besonders in Tourismusregionen.
Bezugsquellen von Erntegeräten
Obstauflesemaschinen, Seil- und Stammschüttler, Rollblitz, Zubehörhttp://www.feucht-obsttechnik.de
Obstauflesemaschinen (Obstwiesel), Harter-Seilschüttlerhttp://www.baeuerle-landtechnik.de
Obstauflesemaschinen, Motorschüttlerhttp://www.kraussmaschinenbau.de
Hydraulikschüttlerhttp://www.lipco.com
Obstigelhttp://www.obstigel.de
Seilschüttler, Auffangschirmhttp://www.harter-technik.de