Forschungs- und Innovationsprojekt
Klima-Forschungs-Station – Artenreiche grüne Gebäudehüllen

Fassadenbegrünungsmaßnahmen erfolgen bisher meist im Hinblick auf optische Aspekte, Funktionalität, Pflegeextensivität und Klimawirksamkeit. Dabei könnten vormals unbelebte, überhitzte Gebäudefassaden bei entsprechender Gestaltung zusätzlich einen vielfältigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere bieten. Hierbei ist vor allem die Bedeutung für Bestäuberinsekten ins Besondere für Wildbienen hervorzuheben. Stabile Populationen können sich nur etablieren, wenn durch eine reich- und langblühende Bepflanzung die Nahrungsgrundlage gesichert ist und gleichzeitig Habitatstrukturen für den Nestbau zur Verfügung stehen.
Ziel des Projektes
Ziel unseres Forschungsprojekts ist es, ein Gestaltungskonzept für Fassadenbegrünungen zu entwickeln, das Wildbienen im städtischen Raum fördert. Die zentralen Elemente sind die Erprobung von bienenfreundlichen Pflanzenarten für den Extremstandort Fassade und die Entwicklung von Nisthilfen, die einfach in Systeme für wandgebundene Fassadenbegrünungen integrierbar sind. So können Wandbegrünungen in Zukunft neben ihren zahlreichen klimatischen und energetischen Vorteilen auch ihre positive Wirkung auf die urbane Biodiversität entfalten.
Methoden des Projektes
Zwei Begrünungssysteme mit unterschiedlicher Ausrichtung der Pflanzfläche sollen getestet werden. Im Gabionensystem werden die Pflanzen in der Vertikalen gepflanzt, im rinnenförmigen Regalsystem kommt eine horizontale Pflanzfläche zum Einsatz. Beide Systeme sind wandgebunden, sodass der Wurzelraum, die Bewässerung und die Nährstoffzufuhr im Begrünungssystem selbst erfolgen. Solche Systeme ohne Bodenanschluss sind vor allem im versiegelten Stadtumfeld relevant.
Die Begrünungssysteme werden unter dem thematischen Schwerpunkt ‚Biodiversität in der Stadtökologie‘ standortgerecht und bienenfreundlich bepflanzt. An Fassaden mit Ausrichtung nach Süden wird in Hinblick auf die zunehmende Wasserverfügbarkeitsproblematik und die starke Sonnenexposition ein trockener Standort simuliert. Bisher wurden hier 23 Pflanzenarten erprobt, die an die Lebensbereiche Steinlage und Freifläche mit trockenem Boden angepasst sind. An Fassaden mit Ausrichtung nach Westen, die teilweise von einem Baum beschattet werden, wird ein frischer Standort simuliert. Hier wurden bisher 22 Pflanzenarten erprobt, die an die Lebensbereiche Steinlage, Freifläche und Gehölzrand mit feuchtem Boden angepasst sind.
Bei der Auswahl der Stauden sind neben der Bienenfreundlichkeit und Anpassung an die Standorte noch Winterhärte, kompakter Wuchs und die Blühperiode von zentraler Bedeutung. Durch lange, sich überschneidende Blühperioden soll die Nahrungsversorgung für Wildbienen und andere Bestäuber zwischen März und Oktober sichergestellt werden.
Pflanzen für den trockenen Standort (Südfassade)
Pflanzen für den frischen Standort (Westfassade)
Für als bienenfreundlich beschriebene Pflanzenarten, die auf Grund ihrer Wuchsform nicht für die Wandbegrünung in Frage kommen, wurden kleinwüchsige, kompakte Sorten ausgewählt. Die Pflanzen sollen auf ihre Eignung für den Einsatz am Extremstandort Fassade und auf die Akzeptanz bei den Insekten getestet werden.
Pflanzeneignung
Die Pflanzen werden auf ihre Eignung für den Einsatz am Extremstandort Fassade hin untersucht. Kernpunkte sind hier eine ausreichende Vitalität und Deckung der Pflanzen, sowie die Blütenbildung und Akzeptanz bei den Insekten.
Nach den ersten beiden Versuchsjahren konnten schon erste Schlüsse gezogen werden, welche der Pflanzenarten sich für eine bienenfreundliche Fassadenbegrünung eignen. Die Blütentabelle im Jahresverlauf zeigt außerdem, dass diese Arten über den gesamten Aktivitätszeitraum der Wildbienen Blüten und somit Nahrung liefern.
Entwicklung von Nisthilfen
Es wurden Nisthilfen für Wildbienen entwickelt, die einfach in die untersuchten Systeme integriert werden können. Vier verschiedene Nisthilfen wurden für Wildbienen entwickelt, die vor allem in vorhandenen Hohlräumen und Steilwänden nisten. Diese haben Hohlräume in den passenden Größen (3 bis 9 mm) und in verschiedenen Materialien (Hartholz, Papier- und Strohhalme, MDF-Platten). Wichtig bei der Bereitstellung von Nisthilfen ist außerdem der Schutz vor eindringender Feuchtigkeit. Um die Nisthilfen in den bewässerten Gabionen und Rinnen zu schützen, werden die Module mit Alu- oder Plastikschalen ummantelt. Außerdem sollte bei Nisthilfen aus Holz in die Längsseite gebohrt werden und nicht in die Stirnseite, um Risse und Ausfaserung im Holz zu vermeiden. Die vier verschiedenen Typen werden auf ihre Eignung und Attraktivität für Wildbienen hin untersucht.
Eignung von Nisthilfen
Schon nach kurzer Zeit hat sich gezeigt, dass vor allem die Nisthilfen mit Papier- und Strohhalmen und die Hartholzblöcke mit Bohrungen von den Wildbienen angenommen werden. Eine Vielzahl unterschiedlicher Wildbienen konnte beobachtet werden, wie sie in den Modulen nisten.
Die Wildbienen wurden an den Fassadenbegrünungen ab März aktiv und haben bis in den Oktober hinein neue Nester gebaut.
Im Jahr 2022 wurden Bestimmungen der Wildbienen vorgenommen. Insgesamt konnten 74 Arten beim Sammeln von Nahrung und beim Nisten beobachtet werden. Schmalbienen, Hummeln und Furchenbienen gehören neben den Honigbienen zu den häufigsten Besucherinnen der Begrünung. Erfreulicherweise ziehen die lebendigen Fassaden auch gefährdete Arten an, 16 Arten von der roten Liste wurden gezählt.
Es wurden auch viele andere Bestäuber an den Wandbegrünungen gesehen, was darauf schließen lässt, dass die Bepflanzungen die allgemeine urbane Biodiversität fördern können.
Die unterschiedlichen Begrünungsvarianten sollen mit den an den Fassaden installierten Messeinrichtungen auf Ihre Klimawirksamkeit getestet werden. Die Sensoren zeichnen die Temperatur vor, in und hinter den Wandbegrünungen auf und können so Aufschluss darüber geben, ob die begrünten Fassaden das städtische Klima und die Temperaturschwankungen an den Gebäudefassaden beeinflussen.
Messungen zeigen, dass sich an einem Sommertag mit Außentemperaturen um die 32 °C die unbegrünte Fassade auf bis zu 72 °C erhitzt hat, während in der Begrünung nur 30 °C herrschten. An der unbegrünten Fassade ergeben sich daraus Temperaturschwankungen von 60 °C innerhalb von 9 Stunden, während die Temperaturunterschiede innerhalb der Begrünung unter 20 °C liegen. Somit hat die Fassadenbegrünung einerseits einen positiven Einfluss auf das Mikroklima im Umfeld, andererseits wird die Außenhülle des Gebäudes vor starken Temperaturschwankungen geschützt.
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Projektdaten
Projektleitung: Jürgen Eppel
Projektbearbeiterinnen: Dr. Katja Ritz-Arand (2021 - 06.2022); Dr. Leoni Mack (seit 06.2022)
Projektpartner: CAE Bayern und Institut für Bienenkunde und Imkerei
Laufzeit: 01.01.2021 bis 31.12.2023
Finanzierung: Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: A/20/08