Weinbau
Der Bocksbeutel – Markenzeichen für den Frankenwein

Grüne, leere Bocksbeutle liegen so nebeneinander, dass eine grüne Fläche entsteht

Kaum eine andere Weinflasche der Welt dürfte wohl so direkt und unmittelbar mit einer Weinregion in Verbindung gebracht werden wie Franken und sein Bocksbeutel.

Geschichte des Bocksbeutels

Die Flaschenform ist gleichzeitig wohl die merkwürdigste und sonderbarste Weinflasche auf der ganzen Welt. Keine andere Flasche polarisiert in Verbraucherkreisen mehr, ruft ungläubiges Erstaunen hervor und wird doch andererseits belächelt, wird von Weinkennern hoch geschätzt für trockene und ehrliche Frankenweine und wiederum auch vielfach nicht so richtig ernst genommen.

So richtig spannend wird es aber erst, wenn es um die Herkunft des Namens geht. Da ist dann von Gebetsbeuteln, Feld – und Pilgerflaschen mit Bezeichnungen wie „Buggesbüdel“, „Booksbüdel“ und „Bugsbeutel“ die Rede. Und da Winzer, insbesondere die Franken ja bekanntlich mit zu den besten Geschichtenerzählern der Welt gehören, ist den Fränkischen Winzern noch die Geschichte mit dem Ziegenbock eingefallen, die aber wohl eher in die Kategorie „geniale Lügengeschichte“ fällt.

Warum sie ausgerechnet in Franken und für den Frankenwein zum Markenzeichen wurde, bleibt bis heute historisch gesehen noch weitgehend im Ungewissen. Tatsache ist aber, dass diese Flasche bzw. dies Flaschenform schon in prähistorischen Zeiten aus natürlichen Materialen wie dem Kürbis, Leder oder Ton eine breite Verwendung fand. Funde sogenannter „Flachkugelflaschen“ aus Ton, datiert auf einen Zeitraum 1400 vor Christus belegen dies eindrucksvoll. Aber warum hat sich diese Urform der Flaschen dann hier im Fränkischen so markant behaupten können? Warum ist sie gerade hier geblieben? Denn aus sogenannten „ronden Flaschen“ wurde, wie viele historische Gemälde eindrucksvoll beweisen, weltweit im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitet Wein getrunken.

Den entscheidenden Hinweis darauf gibt uns wohl der Beginn der Glasherstellung im späten ausgehenden Mittelalter im Spessart. Der Wald lieferte die Energie und die Pottasche, der Buntsandstein mit seinem hohen Eisengehalt als Grundstoff ist dann auch verantwortlich für die grüne Farbe des Glases. Der Begriff des „Waldglases“ war geboren. Beide Wirtschaftszweige, die Glasherstellung – es soll über 100 Glashütten zu dieser Zeit gegeben haben und der Wein mit seinen heute unvorstellbaren 40.000 ha (Franken galt damals mit dem Burgund zu einer der größten zusammenhängenden europäischen Weinregionen) haben wohl damals ein erfolgreiches „Cluster“ gebildet, wie man heute sagen würde.

Der Bocksbeutel als Markenzeichen

Zum Markenzeichen wurde der Bocksbeutel schließlich dann durch das berühmte Würzburger Ratsprotokoll, das 1726 den weltbekannten und zur damaligen Zeit hoch geschätzten Steinwein in Bocksbeutelflaschen von 1 Maß (1,22l) füllen und mit einem Siegel versehen ließ. Anlass waren wohl die zunehmenden Weinfälschungen um den Steinwein

Aus dem Steinwein wurde Frankenwein und aus dem Frankenwein wurde mit der sehr erfolgreichen wirtschaftlichen Erholung und dem Wiederaufbau des Fränkischen Weinbaus in den 60iger bis in die 80iger Jahre hinein der Wein aus dem Bocksbeutel. In Verbindung mit der freiwilligen Übereinkunft der Fränkischen Winzer mit dem Weingesetz 1971 den Begriff „fränkisch trocken“ als Gegenbewegung zu einsetzenden „Lieblichen Welle“ des Deutschen Weines einzuführen war die Erfolgsgeschichte „Frankenwein = Bocksbeutel = trocken = teuer“ perfekt! Es war die „Blütezeit“ des Frankenweins, die den Grundstein für die überaus gute Entwicklung und die heutige Struktur der Direktvermarktung, von familiengeführten Weingütern, Hobby-, wie Nebenerwerbswinzern und den Winzergenossenschaften legte!

Der Bocksbeutel in der Krise

Aber Erfolg macht ja bekanntlich auch satt und träge. Und so kam es wie es kommen musste. Obwohl der Bocksbeutel als Markenzeichen nach langen und zähen politischen Verhandlungen 1989 europaweit für den Frankenwein geschützt werden konnte (mit einige regionale Ausnahmen, Portugal, Griechenland, Italien und Baden), war der Frankenwein zum damaligen Zeitpunkt in eine seiner größten wirtschaftlichen Krise geraten. Diese Krise war auch eine „Krise des Bocksbeutels“.

Was waren die Ursachen? Nun zunächst wurde Franken von der zunehmenden Globalisierung des Weinmarktes vollkommen kalt erwischt. Zudem war durch die hohen Erträge, ja man muss mit Erträgen von 150 hl/ ha im Duschschnitt ehrlicherweise von „Massenerträgen“ sprechen (1982: 141 hl/ha; 1983: 148 hl/ha; 1988: 102 hl/ha; 1989: 155 hl/ha; 1992: 123 hl/ha) die Qualität – ja man darf es heute auch aus sicherer zeitlicher Distanz so drastisch ausdrücken - ins Uferlose gesunken. Kein Wunder also, dass sich die Verbraucher, auch bis dahin treue Frankenweintrinker, plötzlich dem „Pinot Grigio“ aus Italien oder den schicken und sauber gemachten Rebsorten-Weinen aus der Neuen Welt in Scharen zuwandten! Dazu kam, dass bei der sich gerade entwickelnden jungen, international aufgeschlossenen und neuen Generation an Weintrinkern der Frankenwein als altmodisch, altfränkisch, sauer oder einfach als nicht mehr schick genug wahrgenommen wurde.

Zu allem Unheil versuchten die Fränkischen Winzer dann den Bocksbeutel als letztes Marketinginstrument ihres Überlebens zu nutzen um doch noch im Wettbewerb erfolgreich sein. Aber schlechte Qualität, abgefüllt in ein Markenzeichen, das eigentlich für Qualität stehen soll? Dies konnte nur schief gehen und ging auch gnadenlos schief. Weine im Bocksbeutel wurden für unter einem Euro verramscht und die Süddeutsche Zeitung schrieb im Jahr 2002 vernichtend: „Frankenwein – der Wein des Anstoßes!“. Das Image des Frankenweins und damit auch das Image des Bocksbeutels sank ins „Uferlose“ wie die Main-Post schrieb! Und somit stand der Bocksbeutel stellvertretend nicht nur für ein Krise der Qualität, sondern auch für eine Krise der vielfältigen und schwerfälligen Strukturen, eine Krise der Kommunikation und da man sich innerhalb der Fränkischen Weinwirtschaft auch intensiv gestritten hat, für eine Krise der Köpfe!

Die Auswirkungen dieser Krise waren dramatisch. Zum Beginn der Weinlese 2003 lagen in den fränkischen Kellern zwei volle Weinernten, die mehr oder weniger nicht mehr zu vermarkten waren. Dies befeuerte den Strukturwandel in der Fränkischen Weinwirtschaft. Über 2.600 Winzer hatten innerhalb von 10 Jahren von 1989 bis 1999 ihre Betriebe aufgegeben. Die Stimmung in Franken war am Nullpunkt angekommen.

Das neue Bild vom Frankenwein – auch das neue Bild vom Bocksbeutel?

Doch Krisen sind immer auch Chancen. Krisen erhöhen den Veränderungsdruck und die Veränderungsbereitschaft. Krisen sind die Zeiten der Mutigen, Kreativen und der Vor- und Querdenker. Und so war es auch in Franken. Bereits 1996 startete eine junge, gut ausgebildete und hoch motivierte Jungwinzergeneration unter dem Namen FRANK & FREI mit einer „Innovation des Bocksbeutels“ Ein Müller-Thurgau, mit der Kunst des modernen „Winemakings“ an den Geschmackserwartungen der Verbraucher orientiert erzeugt und im „hellen Bocksbeutel“ als Markenwein FRANK & FREI vermarktet, sorgte für Aufsehen und Erstaunen. Heute zählen diese Winzer zu den erfolgreichsten Betrieben nicht nur Frankens sondern auch im internationalen Vergleich. 2001 folgten fünf weitere Spitzenwinzer mit ihrer Marke TRIAS, Weine mit klarem Bekenntnis zum Terroir, also ihrer Herkunft, natürlich mit der Rebsorte Silvaner und im Bocksbeutel abgefüllt. Mit den „Jungen Frank´n“ etablierte die Winzergemeinschaft Franken (GWF) mittlerweile eine der qualitativ erfolgreichsten Weinlinien im Lebensmitteleinzelhandel, abgefüllt im Bocksbeutel.

In Verbindung mit enormen qualitativen Anstrengungen im Weinberg (Stichwort Ertragsregulierung), hohen Investitionen in die Kellertechnik, zeitgemäßen und modernen Etiketten wie einer beeindruckenden Weinarchitektur ihrer Wirtschaftsgebäude und Vinotheken sowie einer Spitzenstellung im boomenden Weintourismus hat sich Franken innerhalb kürzester Zeit von der Krise befreit und zu einer neuen Erfolgsgeschichte, zu einer neuen Blütezeit zurückgefunden.

Doch irgendetwas fehlt in dieser Erfolgsgeschichte. Zwar wurde auch der Schutz des Bocksbeutels 2009 europaweit, dank eines starken politischen Engagements der Bayer. Staatsregierung in Brüssel, erneut rechtlich verankert. Der Bocksbeutel selbst hat sich aber, abgesehen von ein paar neuen Flaschenfarben und dem Schraubverschluss nicht verändert.

Ist das die eigentliche Grund, warum er nicht die vergangene Größe und Bedeutung als Markenzeichen mit dem qualitativen Aufstieg des Frankenweins wiedererlangt hat?

Ist das der Grund dafür, dass sich Weintrinker, aber auch selbst Fränkische Jungwinzer und Fränkische Qualitätsführer mit dieser Flasche, ihrem Bocksbeutel nach wie vor schwer tun?

Peter Schmidt und der Bocksbeutel ps

Es musste erst ein weltbekannter Designer, selbst Franke in Hamburg ,kommen um den Franken zu sagen und zu zeigen wie das „kauzige Aussehen des Bocksbeutels“ (Zitat Peter Schmidt) verändert werden kann.
Doch wer ist Peter Schmidt?

Ein Kenner der Szene sagte mir: „Man muss sich das so vorstellen. Wenn man in München Franz Beckenbauer persönlich kennt, so ist das in Hamburg so, wenn man Peter Schmidt persönlich kennt“
Einer der wichtigsten Designer und Gestalter der Bundesrepublik Deutschlands. Marken wie JIL SANDER, COOL WATER von Davidoff, JOOP, APPOLINARIS; BOSS hat er im Marken- und Produktdesign gestaltet. Für KENT NAGANO und ELFRIEDE JELINEK Bühnenbilder entworfen, mit JOHN NEUMEIER ganze Inszenierungen gestaltet, Corporate Designs für HAMBURG, die BUNDESWEHR und andere uns im täglichen Leben allbekannte Marken gestaltet. Als Architekt gestaltet der für die BAMBERGER SYMPHONIKER, die ihm als Franken persönlich sehr am Herzen liegen, die Erweiterung der Konzerthalle Bamberg. Ebenso das Foyer der HAMBURGER STAATSOPER Dies ist nur eine kleine Auflistung seines Wirkens als einer der stilprägendsten Designer Deutschlands. Seine Werke prägen maßgeblich die Ästhetik unserer Zeit!
Eher ein Zufall, eine Anfrage zu einer Einladung für eine Podiumsdiskussion in Hamburg brachte die Weinfranken und Peter Schmidt zusammen. Sofort ließ er in seinem Atelier wichtige Kunden warten, als die Franken, so wie er später gestand, endlich zu ihm kamen. Schon lange hatte er darauf gewartet, seiner geliebten Heimat und dem Frankenwein etwas zurück zu geben. Das „kauzige Image“ des Bocksbeutels in ein neues zeitgemäßes Design zu verwandeln.
Schnell fand man zusammen. Ein langer Abend bei guten Weinen und guter Küche in seinem Haus, ausschließlich dem Gespräch über den Bocksbeutel und dem Frankenwein gewidmet, führte am nächsten Tag in seinem Atelier zu den ersten Entwürfen zum neuen Design des Bocksbeutels.
Verschmitzt und mit einer gehörigen Portion Humor führte er den Bleistift, kritzelte Notizen, entstanden erste Linien und Formen. Im Nachhinein, irgendwann mal in ferner oder sogar naher Zukunft, wird man diese Zeit, diese Stunden, sicherlich als eine der Sternstunden für den Frankenwein bezeichnen.
Die fränkische Delegation war beseelt, vom ersten Modell, dass sie in einer 3D Form mit nach Hause nehmen durfte. Von da an war klar: Der „Bocksbeutel PS wird das i-Tüpfelchen, der finale gestalterische Abschluss des „Neuen Bild vom Frankenwein“ werden.
Den Franken wurde klar, erst mit dem neu gestalteten Bocksbeutel sind wir wieder da wo wir hin wollen. Die gelungen Symbiose aus Tradition und gelungener Kultur des Neuen! Gemäß dem Sprichwort: „Tradition bedeutet nicht das Bewahren der Glut, sondern das Entfachen des Feuers“
Es war dann noch ein weiter, nervenaufreibender Weg bis die technischen Hürden in der Glasherstellung genommen wurden. Der Bocksbeutel ist auch in der Herstellung beileibe keine „einfache Flasche“. Doppeltropfenverfahren, Innendruckfestigkeit, Stoßfestigkeit und viele andere technische Details mussten geklärt werden. Parallel wollte der Markt, sprich der Verbraucher, befragt werden. Mit vier Markttests an den Standorten Hamburg, München, Nürnberg und Würzburg wurde die Akzeptanz des „Bocksbeutel PS“ getestet. Und wieder war die Überraschung groß.

Sogar die Nürnberger und Würzburger als die eingefleischten Frankenweinfans schlechthin, waren mehr als erstaunt und fanden die neue Flaschenform: „seriös, kraftvoll, modern, cool, zukunftsorientiert, edel, klar“ und dabei immer noch „als fränkisch 'rüberkommend“.

Mittlerweile werden von den rund 12 Mio. Bocksbeuteln die pro Jahr in Franken im Durchschnitt erzeugt werden bereits ca. 9 Mio. Bocksbeutel PS abgefüllt. Und einer der erfolgreichsten Markenweine in Deutschland die Linie der „Jungen Frank´n“ der Winzergemeinschaft Franken (GWF) steht als Bocksbeutel PS im Weinregal.