Rebsorte
Müller-Thurgau

Reife Trauben des Müller-ThurgausZoombild vorhanden

Hildenbrand © LWG

Die Rebsorte Müller-Thurgau trägt ihren ursprünglichen Namen Rivaner nach den ursprünglich vermuteten Elternreben Riesling und Silvaner. Im Jahr 1998 stellte sich mit Hilfe gentechnischer Untersuchungen jedoch heraus, dass es sich um eine Kreuzung der Rebsorten Riesling und Madeleine Royale handelt.

In der deutschen Weinlandschaft gab der Müller-Thurgau seine Führungsposition in den neunziger Jahren an den Riesling ab. Doch mit einem Flächenanteil von rund 13 Prozent hat die Sorte nach wie vor eine überragende Bedeutung im deutschen Weinbau. In Bayern ist mehr als ein Viertel der Rebfläche mit der Sorte bestockt.

Kreuzung
Riesling x königliche Mädchentraube; früher als Kreuzung zwischen Riesling x Silvaner beziehungsweise Gutedel bezeichnet
Typisches Müller-Thurgau BlattZoombild vorhanden

Hildenbrand © LWG

Herkunft
1882 von Prof. Herrmann Müller aus dem Thurgau (Schweiz) an der damals königlichen Lehranstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau in Geisenheim gezüchtet. 1891 ging Müller zur Eidgenössischen Versuchs- und Lehranstalt nach Wädenswil in der Schweiz. 150 Sämlinge dieser Kreuzung wurden als Stecklinge am Zürichsee weiter kultiviert und der Sämling Nr. 68 als wertvollster 1897 vermehrt. 1913 erste Rückführung von 100 Reben nach Deutschland durch Dern und Benennung der Sorte als „Müller-Thurgau-Rebe“. Bis 1930 Versuchsanlagen in allen deutschen Weinbaugebieten. 1938 in Alzey im Rahmen einer Tagung erste Berichte über die Versuchsergebnisse. Ab 1945 zunehmend im planmäßigen Wiederaufbau und im Zuge der Umstellung auf Pfropfreben gepflanzt. Nie waren die Meinungen der Fachleute über den Anbauwert einer Sorte so gegensätzlich. Die Sorte hat sich in mittleren und geringen Lagen behauptet und belegte seit den 1970 er Jahren bis 1996 den ersten Platz im deutschen Rebsortenspiegel.
Kreuzungsjahr
1882 von Professor Herrmann Müller aus dem Thurgau / Schweiz
Anbaufläche in Deutschland
13108 ha = 12,83 % (Stand 2012)
Anbaufläche in Bayern
1737 ha = 28,46 % (Stand 2012)
Bedeutung in Europa
Ungarn: ca. 5.000 ha; Slowakei: ca. 4.000 ha; Österreich: ca. 2.500 ha, Norditalien ca. 1000 ha, Schweiz: ca. 700 ha
Bedeutung weltweit
ca. 30.000 ha (incl. Europa und D), Neuseeland: ca. 200 ha; weltweit rückläufiger Anbau; in Norditalien steigend!
Sortenbeschreibung / Trauben / Reife
Müller-Thurgau - Trauben sind mittel bis groß, locker- bis dichtbeerig, konisch, oft geschultert. Die Beere sind mittelgroß, oval, gelblichgrün, leicht beduftet; Das Beerenfleisch ist saftig mit deutlichem Muskatbukett. Die Reife erfolgt früh bis mittelfrüh.
Sorteneigenschaften / Ansprüche an Standort / Anbauwert
Der Müller-Thurgau ist starkwüchsig und bevorzugt tiefgründige, frische, nicht zu trockene Böden. Er hat relativ geringe Ansprüche an den Standort, ist empfindlich gegen Trockenheit. Die Holzausreife ist mittel, dadurch treten häufig schon bei -18° C Frostschäden auf. Er zeigt eine hohe Anfälligkeit gegen Peronospora, Schwarzfleckenkrankheit, Roter Brenner und Botrytis. Folglich ist die Erziehungsart so zu wählen, daß die Laubwand gut durchlüftet wird. Die Blütefestigkeit ist sehr gut und auch nach Maifrösten ist durch fruchtbare Beiaugen meist nur ein geringer Ertragsausfall zu verzeichnen. Der Anbauwert gilt weiterhin als gut, da Müller-Thurgau für mittlere und geringere Lagen geeignet ist. Diese Sorte liefert auch in weniger guten Weinjahren noch einen ansprechenden Trinkwein.
Weinbeschreibung / Weinbeurteilung
Vorwiegend saftig-leichte, bzw. duftig-elegante Qualitätsweine mit angenehmen Muskatton und milder Säure. Je nach Standort mehr oder weniger blumig. In heißen Jahren z.T. mit zu geringer Säure, mit breitem und wuchtigem Ausdruck.
Vermarktung (Empfehlungen zur Lagerung, Essen, etc.)
Die Lagerzeiten von 2 bis 3 Jahren sollten bei normalen Qualitätsweinen nicht überschritten werden, da sonst das feine Muskataroma verloren geht. Spätlesen und edelsüße Weine sind auch länger lagerfähig. Einfache Trinkweine sind zur Brotzeit, aber auch als frische spritzige Sommerweine und zu leichten Speisen (Spargel) geeignet. Generell als abendlicher Trinkwein sehr beliebt.

Sortenspezifische Kulturführung beim Müller-Thurgau

Klon- und Unterlagenwahl

Die Wahl des Klons und der Unterlage sollte standortgerechte und gebietsspezifisch sein. In Franken ist der Klon WÜ 12-4 am stärksten verbreitet. Ertragsschwächere, lockerbeerige Klone mit ungeschulterten Trauben sind derzeit Schwerpunkt in der Klonenselektion. Um die Wuchskraft etwas zu begrenzen hat sich die Unterlage SO4 bzw. Binova bewährt. Auf sandigen oder flachgründigen Böden ist die 5 BB vorzuziehen um Trockenstress besser abzupuffern.

Lageanspruch

Mittlerer Lageanspruch, obere Hanglagen sowie leichtere Böden verwendbar; in Kaltluftsenken und Tallagen stark frostgefährdet; nur mittlere Winterfrostfestigkeit (ab –18 °C Schäden an Hauptaugen)

Erziehungsformen

Flach- oder Schrägbogenerziehung, bei 2,00 m Gassenbreite 1,0 - 1,2 m Stockabstand; 20 cm Biegdrahtabstand, ausreichende Laubwandhöhe, mindestens 1,20m; kostengünstige Systeme sind auch Minimalschnitt, Einaugenzapfen beim Kordonschnitt oder auch V-Streckeranschnitt (bei Kordonschnitt besonders auf Phomopsis- und Kräuselmilbenbefall achten!)

Rebschnitt

3 - 5 Augen/m² als Rute, individuelle Stockbelastung zur Erzielung gleichmäßiger Vitalität aller Stöcke, 1 Ersatzzapfen ausreichend; Kurzzapfenschnitt (Kordon) kann zur kostengünstigen Ertragsreduzierung und stärkeren Mechanisierung (starker mechanischer Vorschnitt möglich) gut eingesetzt werden, erfordert jedoch mehr Ausbrecharbeiten

Stockpflege

  • Konsequentes Ausbrechen von Doppeltrieben, Schwachtrieben oder auch Trieben in Verdichtungsbereichen; zeitgünstiges Entfernen des 3. Gescheins um den Ertragskorridor einzustellen; Schnabeltriebe können als Wuchsbremse eingesetzt werden, deren Trauben sind jedoch vor der Lese zu entfernen (UTA-Potential!)
  • Günstiges Blatt-/Fruchtverhältnis an allen Trieben (6-7 Blätter/Traube) notwendig; Laubschnitt nicht zu früh durchführen, Laubwandhöhe auch an Wasserverfügbarkeit anpassen; starke Wuchskraft durch Zusatzrute bremsen, die vor der Blüte entfernt wird

Krankheiten

Erhöhte Chlorose- und Schwarzfleckenempfindlichkeit, mittlere Anfälligkeit für Stiellähme; eine erhöhte Magnesiumgabe auf sandigen Böden stärkt das Stielgerüst

Botrytis vorbeugen - optimale Aromareife erreichen

  • Frühzeitige, jedoch nur moderate Auslichtung der Traubenzone, um Botrytisbefall vorzubeugen und um lockere Trauben mit gut belichteten Beeren zu erhalten
  • Konsequent Botrytisbefall vermeiden, eventuell Botrytizid zum Traubenschluss einsetzen; gezielte Sauerwurmbekämpfung, vorbeugender Pflanzenschutz sowie harmonische Nährstoffversorgung, insbesondere auch mit Magnesium gewährleisten

Ertragsregulierung – Qualitätssteuerung

Im Basissegment sind wirtschaftliche Erträge mit der Jahreswitterung und dem verfügbaren Bodenwasser der Lage abzugleichen. Als Qualitätsziel beim Müller-Thurgau dient nicht der hochwertige, dichtfüllige Vorzeigewein, sondern der aromatisch-frische Alltagsbegleiter. Von seinen Reifewerten sind deshalb eine mittlere Gradationen im Mostgewicht, eine balancierte Säure, sowie eine gute von einer gesunden Beerenhaut geprägten Aromen reife entscheidend. Mostgewichte von 75 ° Oechsle aufwärts sollten jedoch erreicht werden, um eine ausreichende Struktur der Weine zu gewährleisten. Weitgehend gesundes Lesegut (5-10 %Fäulnis können toleriert werden) bringt die besten Voraussetzungen um einen ansprechenden Müller-Thurgau zu erzeugen.

Bodenpflege und Düngung

Angepasstes Bodenpflegemanagement sowie N-Düngung mit dem Ziel eines ausgeglichenen Wuchses; jede 2. Gasse Dauerbegrünung bzw. Herbst-Winterbegrünung, Vermeidung von erhöhtem Trockenstress; Sicherung bedarfsgerechter Wasser- und Nährstoffversorgung; Stickstoffdüngung und Nährstoffversorgung nach Bodenanalyse und Empfehlung; späte N-Stöße in der Reifezeit (Botrytis!) durch Einsaat einer Herbst-Winterbegrünung abpuffern.

Lesezeitpunkt

  • Möglichst späte Lese zur Verbesserung von Mostgewicht, der Aromenausbildung, der Mineralstoffeinlagerung (Extrakt), des Aminosäuregehaltes und der Säureharmonie bei gutem Gesundheitszustand; unreifes Lesegut und Geiztriebtrauben sind wegen UTAGefahr bereits vor der Lese/Vollernterlese zu entfernen
  • Die Festlegung des Erntezeitpunktes sollte primär nach dem Gesundheitszustand sowie der Aromareife/der physiologischen Reife (Beerenverkostung) und erst zweitrangig nach dem Mostgewicht erfolgen. Ungeeignete Anteile wie „altfaule“ Trauben oder grüne, unreife Trauben sind konsequent zu verwerfen
  • Beste Müller-Thurgauweine sind in unserem kühleren und wechselfeuchten Klimaraum zu erzeugen, wenn auch die Anfälligkeit für Botrytis Probleme bereiten kann. Fruchtige, mineralisch geprägte Weine spiegeln das Kleinklima der Reifephase wieder und erlauben daraus die gewünschten aromatisch-fruchtigen Eventweine zu erzeugen.

Segmentspezifische Verwendung - Zukunft des Müller-Thurgau

Derzeit ist wieder verstärkt der einfache, frisch-fruchtige und unkomplizierte Weisswein im Kommen. Müller-Thurgau ist dieser „Zukunftswein“, der kostengünstig erzeugt werden kann und eine gute Grundqualität mit Fruchtigkeit, Vitesse und Aromatik verbindet. Neu designed kann dem MTh (sprich: em-thee-age) von der Gruppe der Teens und Twens sicherlich viel Freude abgewonnen werden.

MTh als modern gestalteter after work refresher, MTh als Begleiter des leichten Fitnesslunches, MTh als Appetizer bei Stehparties, MTh als pickelnder Primeur oder RIVANER, MTh als Spargelwein, MTh als Summerhit, MTh als Secco kann diese neuen Käuferschichten erreichen und einen Gegenpart zu den weniger jugendlichen, teureren und schweren, alkoholreichen, stoffigen und sättigenden Spätleseweinen bieten. Die fränkischen Gruppierungen „Frank und Frei“ (www.frank-und-frei.de), „Der Müller“, die „Inselweinmacher“ (www.inselweinmacher.de) oder „Vielfalter“ (www.dervielfalter.de) haben diesen Trend bereits aufgegriffen und mit großem Erfolg umgesetzt. Auch die Vermarktungsinitiative der junge „Rivaner“ von RheinlandPfalz hat einen guten Anklang gefunden (www.rivanerinitiative.rlp.de). Nachahmer sind zum Wohle der Rebsorte Müller-Thurgau und ihrer Anbauer sehr erwünscht.

Pilztolerante weiße Rebsorten im Vergleich zu Müller-Thurgau

Empfehlung: Besonders für ökologisch wirtschaftende Betriebe bieten sowohl Helios als auch Prinzipal eine deutliche Einsparung an Rebschutzaufwendungen bei einem akzeptablen sensorischen Ergebnis.