Forschungs- und Innovationsprojekt
Ökologische und integrierte Spritzfolgen gegen Echten Mehltau (Oidium) im Weinbau

Blick in eine Rebzeile auf Trauben, die wie grau bemehlt wirken, teilweise stark geschrumpft
Wirksamkeitsprüfungen von Pflanzenschutz- oder Pflanzenstärkungsmitteln können zu falschen Schlussfolgerungen führen, wenn nur eine kurzfristige Betrachtung von ein- oder zweijährigen Ergebnissen vorliegt. Dies ist keineswegs verwunderlich, da die Wirksamkeit eines Präparats oder einer Spritzfolge von vielerlei Faktoren abhängig ist. Den wichtigsten Faktor stellen der jeweilige Infektionsdruck und sein zeitlicher Verlauf dar. Bei unseren Prüfungen in den vergangenen 30 Jahren konnten wir diese Erfahrung immer wieder bestätigen.

Ziel des Projektes

Um aussagefähige Ergebnisse zur Bekämpfung des Echten Mehltau (Erysiphe necator / Uncinula necator) zu erhalten, wurden über vier Jahre ökologische und integrierte Spritzfolgen gefahren. Dadurch sollten verschiedenste Witterungsbedingungen und der daraus resultierende Infektionsdruck, gerade auch im Bezug auf den Klimawandel, berücksichtigt werden.

Methoden des Projektes

Die Versuche wurden in der Rebsorte Bacchus durchgeführt. Die Varianten wurden 4-fach in einer randomisierten Blockanlage wiederholt und nach den Vorgaben der EPPO-Richtlinie „PP14 Echter Mehltau an Weinreben“ ausgewertet.
Die Behandlungen erfolgten mit einem Tunnelspritzgerät der Firma Schachtner. Der Wasseraufwand je Hektar lag je nach Entwicklungsstand der Reben zwischen 200 und 600 l je Hektar.
Zur Sicherstellung eines auswertbaren Befalls wurden mit Echtem Mehltau befallene Reben aus dem Gewächshaus maximal eine Woche vor der ersten Behandlung in der Versuchsanlage verteilt. Um eine gleichmäßige Befallssituation zu erhalten, wurden diese jeweils am Anfang und am Ende einer Wiederholung platziert.
Für die Darstellung der Ergebnisse wurden die Spritzfolgen zusammengefasst. Für einen umfassenden Datenvergleich wurden auch vertrauliche Auftragsversuche mit eingearbeitet.

Aufbau der integrierten und ökologischen Spritzfolgen

  • Integrierte Spritzfolgen (je Jahr zwischen 2 bis 5 verschiedene Spritzfolgen im Mittel 3,25)
    * Kat. = Kategorie der Wirkstoffgruppen aus Rebschutzleitfaden der LWG
    • 1. Vorblüte: meist Netzschwefel oder organisch
    • 2. Vorblüte: Mittel aus den Wirkstoffgruppen Kat.* R, K, oder J
    • abgehende Blüte: Mittel der Wirkstoffgruppe Kat.* L (Sercadis, Luna experience oder Luna Max)
    • bis Traubenschluss: Mittel der Wirkstoffgruppe Kat.* K,R,L oder J
    • Abschluss 1 bis 2x: Mittel der Wirkstoffgruppe Kat.* G, K,J oder Kumar
    • Vergleichsmittel 2015 bis 2017: zwei organische Wirkstoffgruppen, abwechselnd Dynali (R/G) und Vivando (K)
  • Ökologische Spritzfolgen (in den Jahren….); die Grundabdeckung erfolgt mit Netzschwefel; diese wurde kombiniert mit weiteren Präparaten nach unten stehender Aufstellung
    • Netzschwefel und Vitisan (2015,16,18)
    • Netzschwefel / Vitisan / Wetcit (2016 bis 2018)
    • Netzschwefel / Vitisan / Wetcit / Kupfer (2017)
    • Netzschwefel / Vitisan / Kupfer (2017, 2018)
    • Netzschwefel wurde meist mit 5 kg/ha (Spanne 4,8 bis 6 kg/ha) bis Anfang Juli eingesetzt. Danach wurde auf Vitisan gewechselt. Die Aufwandmenge Vitisan betrug meist 8 kg/ha (Spanne zwischen 5 bis 12 kg/ha). Wetcit wurde mit 0,2 l je 100 l Spritzbrühe verwendet. Die Kupfermengen lagen zwischen 180 bis 240 Gramm Reinkupfer/ha und Anwendung.
 2015 2016 2017 2018 
 IntegriertÖko-
logisch
IntegriertÖko-
logisch
IntegriertÖko-
logisch
IntegriertÖko-
logisch
Anzahl
Behandlungen
710711610710
Abstand
Behandlungen
von-bis/Mittel
7-14/114-12/79-14/136-10/79-14/136-10/710-14/126-11/8

Ergebnisse des Projektes

Ergebnis in den unbehandelten Parzellen

Bis auf das Jahr 2017 konnte in jedem Jahr ein hoher Befallsdruck erzeugt werden. Unter solchen Verhältnissen ist eine gut abgesicherte Aussage zu den Wirkungen von Präparaten und Spritzfolgen möglich.
Die Darstellungen zeigen nicht die Befallshäufigkeit, also wie viele der untersuchten Trauben befallen waren, sondern die Befallsstärke. Dazu wird die Stärke des Befalls an jeder der untersuchten Trauben festgestellt.

Ergebnisse der Spritzfolgen aus den Jahren 2015 bis 2018

Integrierte Spritzfolgen
Die integrierten Spritzfolgen, die weitgehend nach den Empfehlungen des Rebschutzdienstes aufgebaut waren, konnten mit einem über die Versuchsjahre gemittelten Wirkungsgrad von 90 Prozent ihre Wirkungssicherheit unter Beweis stellen.
Dennoch zeigt die gemittelte Befallsstärke von ca. 6,5 Prozent, dass der massive Infektionsdruck in den meisten Versuchsjahren, auch organische Präparate an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht hat. Werden unter solch heftigem Infektionsdruck Fehler in der Terminierung der Behandlungen, in der Wahl der Wirkstoffgruppen oder im Nichteinhalten des Resistenzmanagements gemacht, kann dies schnell zu gravierenden Befällen führen. Dies haben uns in den letzten Jahren Erfahrungen aus der Praxis gezeigt.
Beispielhaft kann die Variante mit der Anwendung von nur zwei organischen Wirkstoffgruppen stehen, die in den Jahren 2015 und 2016 Befallsstärken von Oidium zwischen gut 20 und 40 Prozent ergeben haben.
Ein Unterschied in der Wirksamkeit organischer Spritzfolgen bestand nicht, egal ob in der ersten Behandlung Netzschwefel oder ein organisches Fungizid zum Einsatz kam. Dies gilt zumindest unter fränkischen Verhältnissen, bedingt durch ein späteres Auftreten von Oidium.
Ökologische Spritzfolgen
Deutlich zeigt der Versuch, dass ökologische Spritzfolgen, die allein auf dem Einsatz von Netzschwefel gefolgt von Vitisan beruhen, keine ausreichende Wirksamkeit aufweisen. Allerdings kommen solche Spritzfolgen in der ökologischen Praxis auch nicht vor, da hier zwangsläufig zur Vorbeugung gegen Peronospora immer ein Kupferpräparat mit eingesetzt wird. Die synergistische (gegenseitig verstärkende) Wirkung zwischen Netzschwefel und Kupfer wurde bereits von Versuchsanstellern aus Freiburg, Geisenheim und Weinsberg nachgewiesen und zeigt sich auch in diesem Versuch.
Eine ebensolche Wirkungsverbesserung wird durch den Zusatz von Wetcit (früher Prev B2), einem Orangenöl mit Netzmittel, erreicht. In früheren, nicht dargestellten Versuchen, konnte dies für andere Netz- und Haftmittel, wie z.B. Profital fluid und Cocana, nicht bestätigt werden.

Kontrolle > 80 %, Intergierte Empfehlung <10 %, Integriert nur 2 Wirkgruppen > 20 %, Ökomittel fast 40%

Befallsstärke 2015

Kontrolle fast 90 %, Empfohlene Spritzfolge < 10 %, Öko-Spritzfolge mit Netzmittel > 20 % ohne etwa 45 %

Befallsstärke 2016

Kontrolle > 20 %, alle Spritzfolgen unter 10 %

Befallsstärke 2017

Kontrolle < 90 %, Empfehlung < 10 %, Öko < 60 %, > 30 %, > 40 %

Befallsstärke 2018

Kontrolle 70 %, Empfehlung < 10 %, Wirkung 90 %; max 2 Wirk-gruppen Wirkung < 70 %, Ökologisch Wirkung >30 %, > 70 %, < 70 %

Befallsstärke und Wirkungsgrad

Beim Einsatz von Vitisan (Salz) ist zu beachten, dass bei häufigerer Anwendung, hohen Aufwandmengen und trockenen Bedingungen Verbrennungen an den Blättern auftreten können. Von Trockenheit gestresste Anlagen sind hier besonders gefährdet.

Bewertung der Ergebnisse

Wie stark sich die Höhe des Infektionsdruckes auf die Wirksamkeit der Behandlungen auswirken kann, zeigt das Versuchsjahr 2017 deutlich. Hier ist so gut wie kein Unterschied zwischen organischen und ökologischen Spritzfolgen festzustellen.
Betrachtet man die unbehandelte Kontrolle liefert diese schnell eine Begründung. Gegenüber den anderen drei Versuchsjahren herrschte ein deutlich niedrigerer Infektionsdruck vor, mit nur 20 % Befallsstärke bei der letzten Bonitur in der unbehandelten Kontrolle.
Der Grund hierfür lag darin, dass die zur Infektion verwendeten Reben nur ganz schwachen Befall aus dem Gewächshaus mitbrachten und demzufolge ein weit niedriger Infektionsdruck gegenüber den drei anderen Versuchsjahren herrschte. Auch die vorherrschende Witterung führte nicht zu einer Steigerung.

Die ungenügenden Wirkungsgrade bei den ökologischen Spritzfolgen in 2015, 2016 und 2018 sollten nicht zu sehr erschrecken. In der Praxis tritt ein solch massiver und früher Infektionsdruck in gut geführten Anlagen meist nicht auf. Wenn die natürlichen Verhältnisse (Witterung, befallene Nachbaranlagen) aber sehr günstige Bedingungen für Oidium bieten, sollten die Ergebnisse zur Vorsicht mahnen.

Empfehlungen für die Praxis
Faktoren für eine erfolgreiche Oidiumbekämpfung

Integrierte Spritzfolgen

Die Beratungsempfehlungen sind unbedingt zu beachten:

  • Einsatz von mindestens vier verschiedenen Wirkstoffgruppen zu den empfohlenen Rebstadien unter Einhaltung des Resistenzmanagements.
  • In die abgehende Blüte sollte ein Präparat aus der Wirkstoffgruppe der Kategorie L verwendet werden.
  • Die Anlagen sind genau auf erste Befallssymptome zu kontrollieren.
  • Bei starkem Zuwachs, hohem Infektionsdruck und besonders empfindlichen Rebstadien um die Blüte sind die Spritzabstände zu verkürzen (8-10 Tage).
  • Nur potente Wirkstoffgruppen im Mehltaufenster einsetzen

Ökologische Spritzfolgen

  • Ein hoher Befallsdruck darf in den Anlagen nicht auflaufen, daher ist intensivste Kontrolle notwendig.
  • Die verwendbaren Produkte haben eine kürzere und von der Witterung beeinflusste Wirkungsdauer (Netzschwefel<>Temperatur, Vitisan, Kumar<>Abwaschung). Daher ist die Behandlungshäufigkeit um mehr als 50% gegenüber integrierten Spritzfolgen erhöht.
  • Eine Zugabe von Wetcit/Kupfer zu Netzschwefel/Vitisan verbessert immer die Wirkung.
  • In der besonders kritischen Phase, vom ersten Auftreten des Oidiums bis etwa Traubenschluss, sind wöchentliche Spritzabstände notwendig. Bei starkem Infektionsdruck, schnellem Zuwachs, Starkniederschlag und empfindlichen Rebstadien sind die Spritzabstände nochmals zu verkürzen.
  • Die Blattwirkung ist oft besser als die Wirkung an Trauben. Bei Kontrollen daher besonderes Augenmerk auf Gescheine und Trauben legen.
Projektinformation
Projektleitung; Heinrich Hofmann (LWG-IWO2)
Projektbearbeitung: Heinrich Hofmann und Mitarbeiter (LWG-IWO2)
Laufzeit: 15.04.2015 bis 31.08.2018
Finanzierung: intern und Drittmittel (Mittelprüfung)