Gewinner des Klimawandels?
Winterharte Feigen für das Freiland

Eine aufgeschnittene Feige umgeben mit den reifender lilafärbender Backe Feigen liegt auf dem Holztisch

Feigen (Ficus carica) sind in Deutschland bisher nur wenig im Freiland zu finden. Die meisten stehen wohl in warmen Lagen der Pfalz. Aber auch in süddeutschen Vorgärten ist die ein oder andere Feigen zu sehen. In den erwerbsmäßigen Anbau hat sich bisher noch kaum jemand gewagt. Feigenpflanzen und –früchte verbinden die meisten Deutschen mit Urlaub in Südländern. Ist ein Anbau solch einer Kultur bei uns möglich?

Auf dem Versuchsgelände für Obstbau und Baumschule der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim wurden im Mai 2017 nach den Eisheiligen sechs verschiedene Feigensorten in drei Meter Abstand aufgepflanzt. Die Jungpflanzen kamen von einem Feigenspezialisten aus Wien. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass parthenokarpe winterharte, gut schmeckende Sorten gesetzt werden. Eine Zusatzbewässerung ist vor allem für die Etablierung auf dem Feld in der juvenilen Phase sehr wichtig. Im Pflanzjahr wurden erste Früchte entfernt, um das vegetative Wachstum anzuregen. Nach Empfehlung wurden in den ersten beiden Wintern die Pflanzen von ca. November bis März mit Stroh vor Frösten geschützt. Sobald die Triebe dicker sind, besteht eine größere Widerstandskraft gegenüber Frösten. Ab dem Winter 2019/2020 wurden die Feigenpflanzen nicht mehr „eingepackt“.

Erste Früchte wurden 2018 geerntet. Ab 2019 erfolgte eine ständige Ertrags- und Fruchtgewichtsmessung. Dabei konnten nach einem Jahr erste Sortenunterschiede herausgearbeitet werden. Es gibt Feigen, die nur einmal, meist ab September und zweimal ab Anfang August und ab Oktober tragen. Bei Letzteren hängen die Erträge stark mit dem Vegetationsverlauf im Herbst ab. Umso wärmer der Herbst, umso länger und schneller können Früchte zur Ausreife gebracht werden.

Da sich in den letzten Jahren der Anzahl der Vegetationstage (Tage mit Durchschnittstemperaturen über 5 °C) spürbar erhöht hat, können Feigen früher mit der Fruchtbildung beginnen und im Herbst länger ausreifen. Auch die steigenden Wintertemperaturen sind für die Pflanzen vorteilhaft. Es wurden zwar frostrobuste Sorten gewählt, aber längere Perioden unter minus 10 °C können zum Absterben oberirdischer Pflanzenteile führen. Im Februar 2021 kam es zu einer Kälteperiode mit deutlich unter dieser Temperatur bis zu minus 17 °C. Bei nahezu allen Pflanzen führte dies zum Absterben der oberirdischen Triebe. Nur bei der Sorte 'Longue d'Aout' haben Triebe überlebt, die aber auch nur teilweise wieder ausgetrieben sind. Ab Juni 2021 hat ein starker Neuaustrieb aus dem Wurzelbereich begonnen, der je nach Sorte unterschiedlich stark ausgefallen ist. Die Fruchtbildung an den Neutrieben hat in dem späten Jahr 2021 aber nicht mehr zu Ausreife geführt. Im Jahr 2022 konnten wieder Früchte an den Pflanzen geerntet werden. Die Ertragszahlen von 2019 bis 2023 sind in den nachfolgenden Grafiken dargestellt.

Ertragszahlen der Sorten in Kilogramm als farbige Diagramm dargestellt.

Grafik 1: Ertragszahlen in Kilogramm pro Pflanzen von 2019 bis 2023.

Einzelfruchtgewicht der Sorten in Gramm als Säulendiagramm dargestellt.

Grafik 2: Durchschnittliches Einzelfruchtgewicht in Gramm von 2019 bis 2023.

Krankheiten und Schaderreger im ertragsreduzierenden Ausmaß konnten bisher nicht festgestellt werden. Probleme können Ameisen machen, die durch die Öffnung am Ende der Frucht (Ostiolum) in das Innere gelangen können. Geerntet werden nur vollreife Früchte, da ansonsten der Geschmack leidet. Dadurch sind mehrere Pflückdurchgänge pro Woche notwendig. Die Sortensichtung wurde 2020 erweitert. Auch hier sind im Februar 2021 die Triebe zurückgefroren, aber auch die Jungpflanzen haben sich wieder erholt und brachten erste Früchte 2022.

Folgend erste Eindrücke der 2017 gepflanzten Sorten.

'Longue d'Aout'
• Zweimaltragend
• Höchster Pflanzenertrag im Sortiment
• Großfrüchtig mit 62,7 g pro Frucht
• Stark wachsend
• Wahrscheinlich frosthärteste Sorte im Sortiment
• Sehr guter Geschmack
• Zweifarbig grün mit lila Backe
'Ronde Bordeaux'
• Einmaltragend
• Starkes Wachstum
• Zweithöchster Pflanzenertrag im Sortiment
• Sehr kleine (17,4 g) aber attraktive Früchte
• Hervorragender Geschmack
• Farbe dunkelviolett
'Brown Turkey' Typ Süßer Georg
• Zweimaltragend
• Schwacher bis mittlerer Wuchs
• Ertrag bisher gering
• Mittlere Fruchtgröße mit 42,2 g pro Frucht
• Fruchtfarbe grün mit violetter Backe
• Sehr guter Geschmack
'Pastiliere'
• Einmaltragend
• Schwacher Wuchs mit Verkahlungen
• Geringer Ertrag
• Kleinfrüchtig 27,5 g pro Frucht
• Fruchtrisse an Haut und Kelchgrube mindern Qualität und können Ameisen anlocken
• Farbe leuchtendes Violett
• Sehr guter Geschmack
'Dalmatie'
• Zweimaltragend
• Starkwachsend
• Geringer Ertrag
• Großfrüchtig mit 76,6 g pro Frucht
• Fruchtfarbe grün
• Mittlerer Geschmack
'Doree Boud'
• Zweimaltragend
• Starkes Wachstum
• Mittlerer Ertrag
• Großfrüchtig mit 63 g pro Frucht
• Farbe grün mit deutlicher dunkelvioletter Backe
• Sehr guter Geschmack
Ausblick

In den kommenden Jahren wird der Bestand weiterhin auf Ertrag und Fruchtqualität bonitiert. Eine Abdeckung im Winter wird nicht mehr erfolgen. Der letzte Winter hatte auf die Pflanzen keine negativen Einflüsse gehabt, ebenso wie die Spätfröste Anfang April mit minus 7 °C. Im Frühjahr 2020 wurde die Anlage mit den Sorten 'Piccolo Nero', 'Martinsfeige', 'White Genoa' und 'Dauphine' ergänzt. 2021 wurden 'Peretta', 'Bornholm', 'Firoma' und 'Desert King' dazu. Gepflanzt werden ausschließlich zwei bzw. drei Jahre alte Feigen nach den Eisheiligen Mitte Mai. Feigen wachsen natürlicherweise in Buschform und bilden mehrere Triebe an der Basis direkt über den Boden. Dadurch wird die mechanische Bodenbearbeitung erschwert. Bei Neupflanzungen werden deshalb alle Seitentriebe unterhalb von 40 cm entfernt. Ob dies Auswirkungen auf Frosthärte und Pflanzenwachstum hat, wird sich zeigen. Weiterhin werden seit Kurzem zwei verschiedene Erziehungsformen am Drahtgrüst ausprobiert.