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Ausschreibung von Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut

Ausschreibung Saatgut Titelseite

Stand der Umsetzung der neuen Anforderungen des BNatSchG.
Der folgende Beitrag stellt die vertragsrechtlichen Grundsätze dar und gibt Praxistipps für Ausschreibung und Vergabe derartiger Leistungen, vor allem im Straßenbau. Diese Hinweise, z.B. die Musterausschreibungstexte, sind in den neuen „Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ (FLL 2013) enthalten.

2013, 8 Seiten

Neben den naturschutzfachlichen Anforderungen sind bei Ausschreibung, Vergabe und Ausführung von Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut (RSM Regio, Druschgutübertrag etc.) wettbewerbs- bzw. vergaberechtliche Bestimmungen zu beachten, insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB).

Auszug § 40 (4) BNatSchG:

„Das Ausbringen von Pflanzen gebietsfremder Arten in der freien Natur sowie von Tieren bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Künstlich vermehrte Pflanzen sind nicht gebietsfremd, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben. (...) Von dem Erfordernis einer Genehmigung sind ausgenommen:1. Der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft
(...)
4. das Ausbringen von Gehölzen und Saatgut außerhalb ihrer Vorkommensgebiete bis einschließlich 1. März 2020; bis zu diesem Zeitpunkt sollen in der freien Natur Gehölze und Saatgut vorzugsweise nur innerhalb ihrer Vorkommensgebiete ausgebracht werden.“

Die Verwendung gebietseigener Pflanzen in der freien Natur ist ein gesetzlicher Auftrag, den alle Beteiligten nun spätestens bis 2020 umsetzen müssen. Dabei ist § 40 (4) BNatSchG (Bundesnaturschutzgesetz) nur für die „freie Natur“ relevant, also nicht für den Siedlungsbereich und nicht für den Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft. Hauptabnehmer von gebietseigenem Saatgut sind öffentliche Auftraggeber, insbesondere die Straßenbaubehörden, welche die Landschaftsbauarbeiten nach VOB/A ausschreiben (müssen). Bei der Vergabe derartiger Aufträge sind differenzierte Vorschriften einzuhalten. Der folgende Beitrag befasst sich mit der Frage, wie die berechtigten Anforderungen des Naturschutzes mit den vergabe- und vertragsrechtlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen sind, um hochwertige Begrünungen mit gebietseigenen Saatgut realisieren zu können.

Anforderungen an die Ausführung

Was von einem Unternehmer erwartet werden kann, ist zunächst in § 242 BGB geregelt: „Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“. § 4 (2) VOB/B präzisiert das noch folgendermaßen: „Der Auftragnehmer (AN) hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei hat er die anerkannten Regeln der Technik und die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten“.

Die Beachtung des Bundesnaturschutzgesetzes etwa oder der Erhaltungsmischungsverordnung (ErMiV) mit den darin verankerten 22 artspezifischen Ursprungsgebieten für Saatgut, das bei Baumaßnahmen in der freien Natur eingesetzt werden soll, wird vom Auftragnehmer somit ebenso verlangt wie die Einhaltung der geltenden Normen oder der Auflagen eines Bebauungs- und Grünordnungsplanes.

Damit eine ausgeführte Leistung abnahmefähig ist, sind nach § 633 und 243 BGB grundsätzlich drei Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Die Leistung muss die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen (also nach LV).
  • Ist die Beschaffenheit nicht (genau) vereinbart, muss sich die Leistung für die im Vertrag vorausgesetzte bzw. die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die für derartige Werke üblich ist („es muss funktionieren“).
  • Ohne genauere Vereinbarung hat der AN eine Leistung mittlerer Art und Güte (also in durchschnittlicher Qualität) zu erbringen.
Was bedeutet dies nun für die Ausschreibungspraxis? Zunächst hat der AG (im Rahmen seiner Möglichkeiten) eine genaue Leistungsbeschreibung zu erstellen, welche den Bietern eine sichere Preisermittlung erlaubt. Auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung wissen qualifizierte Großflächenbegrüner oder Wildpflanzensaatgutproduzenten vielfach besser als die Planer darüber Bescheid, wie die Begrünung einer Straßenböschung, häufig ein Extremstandort, am besten gelingen kann. Deshalb ist es die Pflicht des Unternehmers, die Leistungsbeschreibung zu prüfen und gegebenenfalls Bedenken anzumelden (§ 4 (3) VOB/B). Diese Bedenken dienen in erster Linie der Qualitätssicherung, erst in zweiter Linie der Ablehnung der Mängelansprüche, falls der AG die Bedenken des AN nicht teilt. Meist ist es deshalb ratsam, den Anregungen der Unternehmer zu folgen.

Erstellung der Leistungsbeschreibung

Die Qualität der Leistungsbeschreibungen von Baumaßnahmen ist leider höchst unterschiedlich. Mancher Planer tendiert mangels hinreichender eigener Fachkenntnisse zu oberflächlichen LV-Texten wie jenem bei einer Baumaßnahme der Deutschen Bahn: „Heuansaat herstellen, Planum +/- 3cm herstellen, Heusaatgut auf umliegenden Flächen gewinnen, Heusaatgut ausbringen, Menge 100g/m²“. Zwar ist der Unternehmer, wie oben beschrieben, zu einer fachgerechten Ausführung verpflichtet; dennoch führt diese viel zu ungenaue Leistungsbeschreibung einerseits zu einer Wettbewerbsverzerrung durch eigentlich nicht vergleichbare Angebote, andererseits hat der AG kaum Ansatzpunkte für Mängelansprüche, falls der AN von der gewünschten Leistung abweicht. Wie soll hierdurch ein hoher Qualitätsstandard erreicht werden? In den FLL-Empfehlungen sind Musterausschreibungstexte enthalten, welche ohne Probleme an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden können. Dabei ist klar, dass ohne hinreichende pflanzensoziologische Kenntnisse und ohne Abstimmung mit den zuständigen Naturschutzbehörden keine zufrieden stellenden Leistungsbeschreibungen zu erwarten sind.

Zertifizierung von Wildpflanzensaatgut

Der Staat will es im Wesentlichen den Wirtschaftspartnern selbst überlassen, die Produktion gebietseigener Pflanzen über Zertifizierungssysteme sicherzustellen. Die wenigen Wildsaatgut-Produzenten mit nennenswerten Marktmengen sind organisiert im Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten e.V. (VWW) einerseits und im Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. (BdP) andererseits. Der VWW hat 2008 das Label „VWW-Regiosaaten®“ herausgebracht, der BdP 2009 das Label „RegioZert®“. Beide weichen nur geringfügig voneinander ab. Auf eine lückenlose Dokumentation vom Erntebestand (der ja der Naturschutzbehörde ohnehin gemeldet werden muss) bis zur verkaufsfertigen Ware ist größter Wert zu legen. Die stichprobenhafte Kontrolle erfolgt im Wesentlichen auf der Basis der Aufzeichnungen des Betriebes und eines vorzulegenden Zertifikates. Keinesfalls darf in der Ausschreibung ein bestimmtes Zertifikat verlangt werden!

Ein enger Kontakt zu den Naturschutzbehörden ist bei Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut unerlässlich, zum einen zur Auswahl geeigneter Spenderbiotope, zum anderen zur Wertung der unvermeidbaren Änderungsvorschläge, z.B. wenn andere Ursprungsgebiete als verlangt angeboten werden; schließlich muss die flächendeckende Produktion erst aufgebaut werden. Bewusste Fehllieferungen ohne Rücksprache mit dem AG sind eindeutige Vergabeverstöße und somit nicht tolerierbar.