Forschungs- und Innovationsprojekt
Eisweinlese ade! - Wein aus eingetrockneten Trauben

Vergärung und Ausbau von edelsüßen Weinen

Deutsche Eisweine, besonders Eisweine der Rebsorte Riesling, sind weltweit begehrt und einzigartig. Doch der Klimawandeln scheint den deutschen Winzern einen Strich durch die Rechnung zu machen. Denn die Jahre, in denen es kalt genug für die Eisweinproduktion wird, werden immer seltener. Zeitgleich verschiebt sich der Erntezeitpunkt der normalen Weinlese aufgrund der Klimaveränderung weiter nach vorne. Das bedeutet, dass Trauben für eine Eisweinlese länger am Stock ausharren müssen, bis es kalt genug ist.

Für die Eisweinproduktion müssen über mehrere Stunden hinweg die Temperaturen unter – 7°C liegen, damit die Trauben vollständig durchfrieren. Derart kalte Tage und Nächte kamen in den vergangenen Jahren immer seltener vor, und wenn, dann meistens erst im Januar oder Februar. In dieser langen Zeit werden die Trauben aber häufig von Schadpilzen befallen und sind somit nicht mehr für die Produktion von qualitativ hochwertigen Eisweinen geeignet. Klimaforscher prognostizieren eine stetige Zunahme der Jahresdurchschnittstemperatur. Laut den Prognosen werden die für den Eiswein benötigten kalten Temperaturen immer seltener und in ca. 50 Jahren nicht mehr erreicht werden.
Deshalb arbeitet die LWG Veitshöchheim an Alternativen für die bayerischen Winzer.

Ziel des Projektes

Teilziel 1

Gesucht wird nach einer Alternative zum Eiswein für die Fränkischen Winzer. Vielversprechend zeigt sich die Produktion von „Wein aus eingetrockneten Trauben“.
In vielen Ländern Europas, vor allem Südeuropas, werden traditionell Süßweine aus eingetrockneten Trauben hergestellt. In Griechenland ist es Samos oder Lastos, in Zypern Commandaria, in Frankreich Vin de Paille, in Italien Vin Santo oder Passito und in Österreich Strohwein bzw. Schilfwein. In Deutschland war es bis vor einigen Jahren nicht erlaubt, Wein aus eingetrockneten Trauben herzustellen. Erst mit der neuen EU-Verordnung VO (EG) 1234/2007 Anhang XIb hat sich diese Regelung geändert und es ist EU-weit zulässig, einen solchen Wein herzustellen und auch zu vermarkten. Allerdings fällt der Wein aus eingetrockneten Trauben nicht unter die uns bekannte Kategorie „Wein“, da dieser weiterhin aus frischen Trauben gewonnen werden muss.
Wein aus eingetrockneten Trauben ist im Weingesetzt als eine völlig separate Kategorie geführt, ähnlich wie das Produkt „Likörwein“.

Rechtlich ist das das Erzeugnis „Wein aus eingetrockneten Trauben" folgendermaßen definiert (VO 1234/2007 Anhang XIb Nr. 15):

  • ohne Anreicherung der Trauben, denen durch Lagerung in der Sonne oder im Schatten teilweise Wasser entzogen wurde, hergestellt
  • weist einen Gesamtalkohol von mindestens 16 %Vol. und einen vorhandenen Alkohol von mindestens 9 %Vol. auf und
  • hat einen natürlichen Alkoholgehalt von mindestens 16 %Vol. (oder 272 Gramm Zucker/Liter) .

In der Regel findet die Trocknung der Trauben auf Strohmatten, Schilfmatten, auf Dachböden oder einfach in der Sonne statt. Wichtig sind hier möglichst optimale Bedingungen, um Fäulnis und Schimmelbildung während der Trocknung zu vermeiden. Ideal für eine schnelle Trocknung ist eine geringe Luftfeuchtigkeit bei hohen Temperaturen und stetiger Luftbewegung. Die Dauer der Trocknung ist nicht festgeschrieben.
In Deutschland ist die naheliegende Bezeichnung „Strohwein“ nicht zulässig, da dieser Begriff für österreichische Erzeugnisse geschützt ist. Einen vergleichbaren Begriff für deutsche Weine aus eingetrockneten Trauben gibt es nicht.

Teilziel 2

Analyse der verschiedenen Faktoren, von denen der Gehalt an flüchtiger Säure bei der Vergärung von Weinen mit extrem hohen Zuckergehalten abhängt und Erarbeitung von Lösungsansätzen.

Teilziel 3

Einfluss von Temperatur und UV-Strahlung während der Trocknung der Trauben auf das spätere Aroma des Weines.

Methoden des Projektes

Rebsorte

Als Rebsorte wird im ersten Versuchsjahr Müller-Thurgau gewählt, da es sich bei diesem Projekt gleichzeitig um ein Studierendenprojekt unter dem Motto Müller-Thurgau der Staatlichen Technikerschule für Wein- und Gartenbau handelt. Grundsätzlich ist Silvaner auf Grund der dickeren und stabileren Beerenhaut besser geeignet. Dadurch ist die Anfälligkeit gegenüber Botrytis niedriger und die Wahrscheinlichkeit, die Trauben gesund zu ernten und ohne Fäulnis zu Rosinen eintrocknen zu lassen, höher. Ab dem Jahrgang 2013 werden die Versuche überwiegend mit der Rebsorte Silvaner durchgeführt, da sich diese aus oben genannten Gründen besser für die Trocknung eignet. Weitere Rebsorten werden ergänzend untersucht.

Aufkonzentrierung

Die Trauben werden einlagig direkt in kleine Obstkisten gelesen und so vom Stock bis zum Ort der Trocknung transportiert, um jegliche Verletzungen zu vermeiden, die bei der Lagerung sofort zu Fäulnis und Schimmelbildung führen würde. Die Kisten werden zur Trocknung in Gewächshäusern gestapelt. Tagsüber werden die Fenster geöffnet, nachts verschlossen. Um das Risiko von Schimmelbildung während der Lagerung zu minimieren, wird in jedem Gewächshaus ein Ventilator aufgestellt. Um die Aufkonzentrierung der Trauben zu beobachten, werden 12 Obstkisten, willkürlich aus den Gewächshäusern gewählt, regelmäßig gewogen und somit die Gewichtsabnahme protokolliert.

Flüchtige Säuren

Durch die Aufkonzentrierung kann auch bei gesundem Traubenmaterial flüchtige Säure während der Vergärung des Mostes entstehen. Durch den hohen Zuckergehalte der Moste entsteht die Essigsäure, der Hauptbestandteil der flüchtigen Säure, durch den starken osmotischen Druck, der zu einer extremen Stresssituation für die Hefe führt.
Die im Most gelösten Zucker, Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker), sind osmotisch wirksame Substanzen, die bewirken, dass Wasser aus der Hefezelle herausgezogen wird.

Zucker - Osmose - Hefe - Glycerin - Essigsäure - Wein

Die einseitige Diffusion eines Stoffes (in der Regel Wasser) durch eine semipermeable Membran (halbdurchlässig) wird als Osmose (griech. osmos = Eindringen) bezeichnet. Eine semipermeable Membran ist nur für bestimmte Stoffe durchlässig. Wasser kann die Membran passieren, die darin gelösten Stoffe wie Zucker oder Salze jedoch nicht.
Der Osmose zugrunde liegt das Bestreben der Teilchen, einen Konzentrationsausgleich zwischen Innen- und Außenraum der Membran zu schaffen. Deshalb fließt das Wasser immer vom Ort weniger gelöster Teilchen in Richtung zu dem Ort ab, an dem mehr gelöste Teilchen vorhanden sind. Osmotischer Druck besteht so lange, bis es zum Ausgleich der Konzentrationen auf beiden Membranseiten kommt.
Der Konzentrationsunterschied des Zuckergehaltes zwischen Hefezelle und Most zieht das Wasser förmlich aus den Hefezellen. Um dies zu kompensieren, bilden die Hefen vermehrt Glycerin. Glycerin hat die Fähigkeit, Wasser an sich zu binden und stoppt so die Entwässerung der Hefezellen. So kann die Hefe den Zuckerabbau auch unter ungünstigeren Bedingungen fortsetzen. Je höher das Mostgewicht, desto höher ist der Glyceringehalt im fertigen Wein.
Gleichzeitig ist die Glycerinbildung mit der Bildung von Essigsäure verbunden. Während der Gärung kommt es bei den Hefezellen nie zu einem vollständigen Konzentrationsausgleich. Und so bildet eine Hefe, die dem massiven Stress eines Mostgewichtes von über 120 °Oechsle ausgesetzt ist, das Drei- bis Vierfache an Essigsäure, im Vergleich zur Gärung unter Normalbedingungen.
Die Vermehrungszahlen und die Zahl der Lebendhefen reduzieren sich ab 100 °Oechsle mit zunehmend höheren Mostgewichten deutlich. Dies ist ein Beleg für die zunehmend lebensfeindlichen Umweltverhältnisse, die mit hohen Mostgewichten verbunden sind. Wegen dieses Effektes werden Früchte bei der Marmeladen- oder Konfitürenherstellung aufgezuckert. Das Leben von Mikroorganismen im Produkt wird so unterbunden.

Einfluß auf das Aroma

Trauben werden unter verschiedenen Bedingungen getrocknet, die Weine separat ausgebaut und später durch ein geschultes Sensorikpanel deskriptiv verkostet.

Ergebnisse

Teilziel 1

Aufgrund der idealen Witterungsbedingungen im Herbst 2012 war es auch bei Müller-Thurgau möglich, hochreife und gesunde Trauben zu ernten. So konnten am 20. September 2012 circa 800 kg Trauben mit einem Mostgewicht von 90 °Oechsle, einer Gesamtsäure von 6,6 g/l und einem pH-Wert von 3,25 geerntet werden. Insgesamt kam es während der Trocknung zu einem Gewichtsverlust von etwa 50 Prozent des Ausgangswertes. Gleichzeitig verdoppelte sich das Mostgewicht in diesen acht Wochen von 90° Oechsle auf 182° Oechsle!

Bei der Trocknung von roten und blauen Traubensorten hat sich gezeigt, dass sich Larven der Kirschessigfliege, die im Traubenmaterial mit zur Trocknung gelangten, schnell entwickelten und zu einem massiven Befall der kompletten Charge führten. Die Kirschessigfliegen sägen die Beeren auf und in Folge dessen entstehen durch Mikroorganismen oder die herkömmliche Essigfliege große Mengen an flüchtiger Säure (Essigsäure), was zum Verlust der gesamten Partie führt.

Teilziel 2

Die Versuche zu den verschiedenen Faktoren, von denen der Gehalt an flüchtiger Säure bei der Vergärung von Weinen mit extrem hohen Zuckergehalten abhängt, wurden von 2014 bis 2016 durchgeführt.
Als eines der entscheidendsten Ergebnisse bei diesen Versuchen hat sich herausgestellt, dass durch das Verwenden einer anderen Hefegattung die Bildung der Essigsäure deutlich verringert werden kann. Die Hefe Torulaspora delbrueckii, ein Nicht-Saccharomycet, kommt sehr gut mit dem hohen osmotischen Druck des Süßmostes klar und bildet auffällig wenig Essigsäure. Allerdings kann diese Hefe auch nur maximal 6 Prozent vol. Alkohol produzieren, was für einen Wein aus eingetrockneten Trauben deutlich zu wenig ist. Denn dieser braucht laut Weingesetz mindestens 9,0 Prozent vol. an vorhandenem Alkohol. Hat Torulaspora delbrueckii aber bis auf 6 Prozent vol. vergoren, ist der osmotische Druck deutlich geringer, da bereits ein großer Teil des Zuckers in Alkohol umgewandelt ist. Deshalb kann zu diesem Zeitpunkt eine echte Weinhefe (Saccharomyces cerevisiae) eingesetzt werden, ohne dass größere Mengen an flüchtiger Säure entstehen. Diese kann dann die weitere Gärung übernehmen.

Bisheriges Fazit

  • Bei der Eisweinproduktion gibt es neben dem Problem der möglichen Essigsäureproduktion während der Gärung weitere entscheidende Faktoren, die häufig zur Qualitätsminderung beitragen.
  • So muss das Lesegut in vielen Jahren sehr lange am Rebstock hängen bleiben, bis es zum Frostereignis mit ausreichend niedrigen Temperaturen kommt. In dieser Zeit bestehen die Gefahr der Fäulnis- und Schimmelbildung sowie die Gefahr von Verlust durch Vögel, Mäuse, Wildschweine und andere Tiere, die im Winter auf Nahrungssuche sind.
  • Beim Wein aus eingetrockneten Trauben können gezielt gesunde Trauben während der normalen Weinlese geerntet und dann getrocknet werden. Dabei entstehen im Idealfall absolut gesunde, getrocknete Beeren, fast wie Rosinen. Die dadurch erzielten Weine präsentieren sich absolut reintönig, fruchtig exotisch und goldgelb.
  • Durch die Produktion von „Wein aus eingetrockneten Trauben“ haben Winzer die Chance, weiterhin Süßweine zu produzieren, auch wenn der Klimawandel den Eiswein immer seltener werden lässt. Gleichzeitig wird die Qualität der Süßweine dadurch deutlich erhöht, da die Trocknung der Trauben kontrolliert abläuft und die Gefahr des Verderbens der Trauben nahezu ausgeschlossen ist. Das wirtschaftliche Risiko der Eisweinproduktion wird somit auch vermieden, da die Aufkonzentrierung der Trauben völlig unabhängig von den Risiken der Natur stattfindet.

Projektinformation
Projektleitung: Johannes Burkert (LWG-IWO3)
Projektbearbeitung: Johannes Burkert, Felix Baumann (LWG-IWO3)
Laufzeit: 01.09.2012 - 31.12.2024
Finanzierung: Eigenmittel
Projektnummer W2-0615 / W2-0624