Biodiversität im Weinbau
Rotflügelige Ödlandschrecke Oedipoda germanica

Rotflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda germanica) auf einer Blüte sitzend

Die Rotflügelige Ödlandschrecke gehört zu den seltesten und am stärksten gefährdeten Heuschreckenarten Bayerns und Deutschlands. Die gilt als Spezialist für xerotherme Standorte. Das Auftreten von Oedipoda germanica ist an vegetationsarme Biotope wie z.B. Geröll- und Felsbereiche gebunden. Die Heuschrecke reagiert sehr stark auf Veränderungen in ihrem Habitat. Daher ist die Pflege des Lebensraumes zur Erhaltung der Art an diesem Standort notwendig. Durch Verbuschung und weitere Faktoren schwindet ihr Lebensraum deutschlandweit zunehmend, so dass die Rotflügelige Ödlandschrecke inzwischen "vom Aussterben bedroht" ist und auf der Roten Liste in der Katergorie 1 steht.

Aussehen

Oedipoda ist ein Kurzfühlerschrecke und gehört zu den Feldheuschrecken. Mit einer Körperlänge von 16 bis 22 mm sind die Männchen kleiner als die Weibchen mit 22 bis 32 mm. Die Körperfarbe ist grau bis braun je nach Lebensraum. Auf den Vorderflügeln und um die Hinterbeinen schließen zwei hellere Streifen einen dunkleren Streifen ein. Diese Färbung führt zu einer sehr guten Tarnung auf steinigem Grund bzw. offenem Boden. Namensgebend sind die roten Hinterflügel, die mit einem schwarzen Rand eingefasst sind, und erst beim Auffliegen des Tieres sichtbar werden.
Die Tiere bewegen sich laufend und nur bei Gefahr fliegen sie auf, wobei sie gleichzeitig ihren Feinden die rote, abschreckende Warnfärbung zeigen.

Lebensraum

Die Ödlandschrecke bevorzugt warme und trockene Habitate. Vor allem vegetationsarme, steinige oder felsige Stellen mit einer geringen Bodendeckung von weniger als 20% Pflanzenbedeckung sind ihr bevorzugter Lebensraum. Steile Südhänge, gerne in Weinbergen oder in deren Nähe bieten derartige Habitate. Favorisiert werden dabei Trockenrasenstandorte auf Muschelkalk.
Die Mobilität der Ödlandschrecke ist relativ gering. Die sogenannte Standform bewegt sich nur im einem Umkreis von rund 50 m, die Ausbreitungsform wandert jedoch auch nur rund 500 m weit. Die Tiere sind somit sehr standorttreu und verlassen ihren eigenen Lebensraum kaum, sodass eine Besiedelung geeigneter Biotope über größere Entfernungen unwahrscheinlich ist.
Die Muschelkalkstandorte Unterfrankens sind eines der wichtigsten Verbreitungsstandorte für Oedipoda germanica in Bayern.

Lebensweise

Die Weibchen beginnen meist Anfang Juli mit der Eiablage. Sie legen mehrmals über den Sommer im Abstand von 5 bis 10 Tagen jeweils etwa 10 bis18 Eier in den Boden oder zwischen Steinen ab. Bevorzugt werden hier steinige, extrem vegetationsarme Offenbodenbereiche. Das Ei überwintert im Boden. Die Larven schlüpfen im Folgejahr im Mai und häuten sich nach insgesamt fünf Larvenstadien meist bis Ende Juli, spätestens bis Mitte August zum adulten Tier. Die erwachsenen Tiere findet man in normalen Jahren von Juli bis Oktober.
Als Nahrung dienen diesen Heuschrecken krautige Pflanzen wie z. B. Edel-Gamander, Gewöhnlicher Hufeisenklee, Aufrechter Ziest oder Schmalblättriger Hohlzahn sowie verschiedene Gräserarten, die für die Larven in unmittelbarar Nähe zu ihrem Schlupfort wachsen sollten.




Biotoppflege am Beispiel Thüngersheimer Scharlachberg
Mit dem Entstehen der Querterrassierung am Standort Scharlachberg hat sich ein Biotopkomplex mit größeren offenbodigen Geröllflächen neben schwach bewachsenen trockenrasenähnlichen Standorten entwickelt, der scheinbar ideale Lebensraumbedingungen für die Ausbreitung der Rotflügelige Oedlandschrecke an dieser Stelle erfüllte. Der durch uns künstlich erstellte Lebensraum Querterrasse und sein Erhalt durch eine entsprechende Bewirtschaftung, hat die Ausbreitung dieser Art erst möglich gemacht.

Die Rotflügelige Ödlandschrecke reagiert jedoch sehr empfindlich auf eine Veränderung ihres Lebensraumes. Eine zunehmende Sukzession (Zuwachsen) der Offenbodenbiotope, wie sie zum Teil jetzt schon in einigen Bereichen zu beobachten ist, würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Verschwinden dieser außergewöhnlichen Population führen. Dies gilt ebenso für alle anderen seltenen Arten die auf xerotherme Standorte angewiesen sind.

Im Folgenden sind Maßnahmen aufgelistet, die zu einer Sicherung des Lebensraumes führen können:

  • Schaffung von mageren Standorten mit einer Mosaikstruktur aus schütterer, niederwüchsiger Vegetation und offenen Rohbodenstandorten bzw. Geröllflächen
  • Teilbereiche des Habitats sollten immer wieder in sehr frühe Sukzessionsstadien (max. 20% Bodendeckung) versetzt werden z.B. durch Schaffung von offenbodigen Bereichen
  • Abschnittsweise Mahd um potentielle Eiablagestandorte zu schaffen. Ideal wäre ein Abtransport des Mähgutes, um die Flächen weiter auszumagern.
  • Anlage von Stein- bzw. Geröllflächen (z.B. Steinriegel), um vegetationsarme Habitate zu schaffen, die wenig pflegeintensiv sind
  • Unbefestigte Wege mit viel offener Fläche oder geschotterte Wege sind geteerten Weinbergswegen vorzuziehen
  • Bei Ansaaten auf den Flächen ist unbedingt auf ein Pflanzenartenspektrum mit Mager- bzw. Trockenrasenpflanzen zu achten
graue Larve der Rotflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda germanica) noch ohne Flügel auf einem grauen Stein sitzend

Larve der Rotflügelige Ödlandschrecke

Nymphe (letztes Larvenstadium) der Rotflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda germanica) mit Flügelansätzen

Nymphe der Rotflügeligen Ödlandschrecke

Rotflügelige Ödlandschrecke auf gleichfarbigem Untergrund gut getarnt

Bräunliche Varietät

Rotflügelige Ödlandschrecke auf steinigem Untergrund

Graue Varietät

Rotflügelige Ödlandschrecke mit geöffnetem roten Flügel, Körper kaum vom steinigen Untergrund zu unterscheiden

Einseitig geöffnete Flügel

Literatur

  • Dolek, M.; Geyer, A. (1996): Das Biotopmanagement und die Habitatbindung der Rotflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda germanica Latr. 1804) in der Frankenalb.- Ber. ANL 20: 287-294
  • Hess, R. ; Ritschel-Kandel, G. (1992): Die Beobachtung der Rotflügligen Ödlandschrecke (Oe­dipoda germanica) in Unterfranken als Beispiel für das Management einer bedrohten Art.- Abh. Naturwiss. Ver. Würzburg 33: 5-102.