Das Laubwandflächen-Modell - die neue Bezugsgröße für die Dosierung von Pflanzenschutzmitteln

Seit vielen Jahren wird bereits über eine angepasstere Dosierungs-Angabe gegenüber der bisherigen Aufwandmengen-Angabe in Liter (l) bzw. Kilogramm pro Hektar (kg/ha) Grundfläche diskutiert. Die Mängel dieser Angabe zeigen sich bei unterschiedlichen Laubwandhöhen bei gleichem Entwicklungsstadium (Dornfelder – Silvaner), fehlende Anpassungsmöglichkeit bei unterschiedlichen Erziehungsformen (Minimalschnitt – Spalier) und Problemen bei der Übertragbarkeit von Versuchsergebnissen im Zulassungsverfahren. Daher wurde beschlossen die Dosierung an die tatsächlich behandelte Laubwandfläche (LWF) zu binden.

Die behandelte Laubwandfläche ist definiert durch die von den geöffneten Spritzdüsen vertikal behandelte Höhe und der Zeilenlänge pro Hektar.

In der folgenden Abbildungen ist deutlich zu erkennen, dass die Laubwandhöhe dem Bereich entspricht, der von den geöffneten Düsen des Behandlungsgerätes überstrichen wird.

Rebzeilen mit Pfeilen zur Demonstration der Behandlungshöhe und Schema eines PS-Gerätes

Die Berechnung der behandelten Laubwandfläche ist durch nachfolgende Formel leicht möglich:

Laubwandfläche = Spritzbandhöhe x 2 x 10.000 / Gassenbreite
Maße immer in Metern!
Die 2 steht für die beiden Seiten der Laubwand
10.000 / Gassenbreite steht für die Laubwandlänge in Bezug auf 1ha Grundfläche

Wegen einiger Nachfragen hier weitere Erläuterungen

  • Die Berechnung der Laubwandfläche pro ha Grundfläche erfolgt nach der Formel „Spritzbandhöhe in m x 2 x 10.000 m² / Gassenbreite in m“. Die „2“ steht für beide Seiten der Laubwand. Die Laubwandfläche ist nur von der Spritzbandhöhe und der Gassenbreite abhängig. Die Laubwandfläche ist nicht von der Arbeitsbreite (Befahrung jeder oder jeder zweiten Gasse) abhängig.
  • Die Spritzbandhöhe im Bereich der Laubwand ist zu messen, da sie je nach Düsentyp, Applikationsgerät und Düseneinstellung variieren kann. Die angegebene Spritzbandbreite je Düse in den Beispielen kann nicht für jedes Applikationsgerät übernommen werden.
Durch die neue Dosierangabe wird die Aufwandmenge der tatsächlichen behandelten Zielfläche optimal angepasst und Fehldosierung vermieden. Außerdem erleichtert diese Angabe dem Praktiker die Anpassung an verschiedene Reihenabstände und Laubwandhöhen, ohne dass Einstellungen am Spritzgerät oder die Fahrgeschwindigkeit geändert werden müssen.

Da weiterhin die „alten“ Zulassungen nach der grundflächenbezogenen Aufwandmenge (AWM) bestehen bleiben und von den Zulassungsbehörden nicht umgeändert werden, bedeutet dies, dass zwei verschiedene AWM-Angaben über mindestens 10 Jahre bestehen bleiben. Dies wollen wir unseren Praktikern nicht zumuten und haben daher die alten Zulassungen in das neue System Aufwandmenge in kg/ bzw. l /10.000 m² Laubwandfläche (LWF) überführt (siehe Tab 5). Zurzeit sind nur wenige Mittel mit der neuen Aufwandmengenangabe zugelassen, doch wird sich dies in den kommenden Jahren verschieben.

Bei der Umrechnung der bisherigen AWM-Angabe haben wir darauf geachtet, dass zu den wichtigen Behandlungs­stadien im Bereich der Blüte die Wirkstoffmengen nach den bisherigen Zulassungen ausgebracht werden. Ab der 2. Nachblütebehandlung (alle Düsen geöffnet) steigen die Wirkstoffmengen nicht mehr an. Auch die Laubwandhöhe nimmt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu. Bei einem Verbundprojekt der Weinbauanstalten konnte schon vor einigen Jahren festgestellt werden, dass kein Einfluss auf die biologische Wirkung besteht, wenn nach dem bisherigen grundflächenbezogenen Modell die Basisaufwandmenge nur bis max. Faktor 3 multipliziert wird. Daher bleibt mit den umgerechneten AWM kg bzw. l/10.000m² LWF die biologische Wirkung auch voll erhalten, obwohl bei den letzten Behandlungen etwas weniger Wirkstoff gegenüber dem bisherigen grundflächenbezogenen Modell ausgebracht wird.

Neue AWM-Angabe – Wie gehe ich zur Berechnung meiner AWM praktisch vor?

Zunächst muss die LWF nach obiger Formel ausgerechnet werden.

Beispiel:

Bei unserer Spritze sind 3 Düsenpaare geöffnet. Die von den Spritzdüsen behandelte Höhe im Bereich der Laubwand wird gemessen und beträgt beispielsweise 0,9 m (0,3m je Düse).
Bei einer Gassenbreite von 2 m ergibt sich folgende LWF:
LWF = 0,9 x 2 x 10.000 / 2 ergibt eine LWF von 9.000 m²

Aus Tabelle 5 kann nun die AWM in kg bzw. l /10.000m² LWF entnommen werden.

Beispiel:

Es soll mit Folpan 80 WDG eine Behandlung durchgeführt werden.
AWM kg bzw. l / 10.000m² LWF = 0,89 kg / 10.000m²
0,89 x 9000 m² / 10.000 m² = 0,801 kg

Das Auslitern ihres Pflanzenschutzgerätes führen Sie wie bisher durch (siehe Checkliste vor Saisonstart).

Beispiel:

Das Auslitern des Pflanzenschutzgerätes hat bei 3 Düsenpaaren und einer Arbeitsbreite von 4 m (jede zweite Gasse wird behandelt) 160 l/ha ergeben. Für 160 l Wasser werden nun die 0,801 kg Folpan 80 WDG benötigt. Andere Wassermengen und Mittelmengen können auf dieser Grundlage über den Dreisatz berechnet werden.

Beispiel:

Spritzbehälter 300 l; benötigte Menge an Folpan 80 WDG = 300 x 0,801 / 160 ; Folpan 80 WDG für 300 l = 1,50 kg

Wenn Sie nun mit der Pflanzenschutzspritze in Anlagen mit einer anderen Gassenbreite als 2 m fahren, müssen Sie keine Änderung an der Fahrgeschwindigkeit oder am Druck vornehmen. Zwar benötigen Sie z. B bei 1.60 m Gassenbreite pro Hektar mehr Spritzbrühe, gleichzeitig ist die Laubwandfläche bei 1,60 m Gassenbreite aber auch größer, da die Zeilenlänge zunimmt. Die Konzentration der Spritzbrühe auf die ausgebrachte Laubwandfläche bleibt somit gleich. Ebenso können Sie bei Bedarf Düsen zu- oder abschalten.

Beispiel:

LWF bei 1,6 m Gassenbreite = 0,9 x 2 x 10.000 / 1,6 LWF bei 1,6 m Gassenbreite sind 11.250 m².

Zunächst wird das neue LWF-Modell für Sie wahrscheinlich noch etwas gewöhnungsbedürftig sein. Wenn man sich damit aber etwas auseinandergesetzt hat, sind die Vorteile – nur eine AWM-Angabe, Düsen zu- oder abschaltbar, keine Änderung an der Fahrgeschwindigkeit oder an den Einstellungen des Spritzgerätes bei verschiedenen Gassenbreiten, richtige AWM bei verschiedenen Erziehungssystemen – eindeutig.

Wir weisen darauf hin, dass die Angaben in der Zulassungsbeschreibung der Präparate, insbesondere die Aufwandmenge, auch bei der Anwendung des Laubwandflächenmodells nicht überschritten werden dürfen.

Aufzeichnung des Vortrags zum Laubwandflächen-Modell von H. Hofmann im Rahmen der Seminarreihe Weinwirtschaft

Hier gehts zur Aufzeichnung (Youtube/nicht barrierefrei). Externer Link