Forschungs- und Innovationsprojekt
Wachstumsregulatoren im Weinbau

Mikroskopische Aufnahme von der Spitze einer Rebblüte

Vergleichende morphologisch-anatomische Untersuchungen zur Wirkung der Wachstumsregulatoren Gibberellin GA3 und Prohexadione-Ca auf den Befruchtungsvorgang, die Samenentwicklung und die Differenzierung der Infloreszenzen bei unterschiedlich sensiblen Rebsorten

Qualitätssicherung durch gesundes Lesegut spielt eine immer wichtigere Rolle im deutschen Weinbau. In den letzten Jahrzehnten haben jedoch zunehmend günstige Witterungsbedingungen häufig zu hohen Fruchtansätzen mit kompakten, dichtbeerigen Trauben geführt. In der Folge können die Beeren während der Reifephase aufplatzen oder sich gegenseitig abdrücken, wodurch massive Probleme mit Botrytis (Sauerfäule), Penicillium (Grünfäule) und Essigfäule auftreten können. Für den Qualitätsweinbau notwendige, präventive Gegenmaßnahmen wie Traubenteilen bzw. das Ausschneiden und Entfernen geschädigter Trauben sind mit einem sehr hohen Zeitaufwand verbunden. Deshalb wird von der Praxis dringend eine möglichst einfache, kostengünstige und wenig arbeitsintensive Fäulnisprävention gewünscht.

Ziel des Projektes

Mittlerweile unbestritten und vielfach in Versuchen belegt ist die präventive Wirkung von Gibberellinen (GA3) bei Botrytis und Essigfäule durch induzierte Lockerbeerigkeit bei Ertragsrebsorten, die häufig zu einer Befallsreduktion von weit über 50% führt. Beobachtungen zeigen eine große Varianz bei den verschiedenen Rebsorten und teilweise gravierende Folgen auf den Ertrag des Folgejahres.
In diesem Projekt sollen sortenabhängige Effekte, Nebenwirkungen und Langzeitwirkungen des Einsatzes von Wachstumsregulatoren untersucht werden.

Methoden des Projektes

  • Als Modell-Rebsorten dient der auf Giberellin sehr sensibel reagierende Silvaner im Vergleich zum wesentlich robusteren Grauburgunder.
  • Neben histologisch-anatomische Untersuchungen zum Befruchtungs­vorgang und der Samen­entwicklung an den sich weiter entwickelnden Fruchtknoten und Beeren an den Rappen der verschiedenen Varianten, liegt der Schwerpunkt auf den Untersuchungen der verrieselten Fruchtknoten.
  • Begleitend wird der hormon­physiologische Gibberellin-Status der Kontrolle und Regalis®-Variante bis zum Traubenschluss (BBCH 77) untersucht.
  • Darüber hinaus werden die einzelnen Varianten auf Nebenwirkungen der einzelnen Wachstumsregulatoren, insbesondere auf den Austrieb und den Gescheinsansatz untersucht.
  • In allen drei Untersuchungsjahren wird mit einer praxisüblichen Dosierung von 7ppm GA3 (28g/ha Gibb3) bzw. 1,8 kg Regalis® beim Silvaner und 20ppm GA3 (80g/ha Gibb3) bzw. 1,35 kg Regalis® beim Grauburgunder bei einer Wasseraufwandmenge von 400l/ha während der Vollblüte beidseitig in die Traubenzone appliziert.
  • Zur Untersuchung von Langzeitnebenwirkungen kommen Staffelspritzungen zum Einsatz, so dass vergleichend Parzellen vorliegen, die nur im ersten, in zwei Jahren oder in allen drei Untersuchungsjahren mit den entsprechenden Wachstums­regulatoren behandelt worden sind.
  • Es werden keine Botrytizide eingesetzt.

Trauben- und Ertragsbonituren

Um den Einfluss der Wachstumsregulatoren auf die Traubenstruktur zu untersuchen, werden während der Reife Lockerbeerigkeitsbonituren mit vier mal 100 Trauben pro Variante durchgeführt. Des weiteren werden bei beiden Rebsorten für weitere Trauben pro Variante das Traubengewicht, die Beerenanzahl, das Beerengesamtgewicht und das mittlere Einzelbeerengewicht pro Traube bestimmt. Die Beeren werden über Lochtabletts nach Größe sortiert. Die Beerengrößenverteilung und die Beerengewichte der einzelnen Fraktionen werden quantitativ bestimmt. Von je zehn Beeren pro Größenklasse wird die Kernanzahl und das Kerngewicht bestimmt.

Reifebonituren und Sensorik

Ab Reifebeginn werden bis zur Lese in wöchentlichen Abständen bei den beiden Rebsorten Reifebonituren der durchgängig behandelten Varianten mit je 200 Beeren pro Variante durchgeführt, um die Reifeentwicklung der einzelnen Varianten zu verfolgen. Bestimmt werden jeweils Mostgewicht, Gesamtsäure, pH und Zuckergehalt. Zu Beginn des Weichwerdens der Beeren (BBCH 85) wird zusätzlich das Mostgewicht einzelner Beerengrößenfraktionen untersucht. Das Lesegut der einzelnen Versuchsvarianten wird kellerwirtschaftlich ausgebaut und sensorischen Beurteilungen, auch auf eventuelle variantenbedingte Fehltöne (z.B. UTA) unterzogen.

Lebensfähigkeitstest der Kerne

Nach der Lese werden die Kerne der einzelnen Varianten einem Lebensfähigkeitstest unterzogen. Je hundert Kerne zweier Kerngrößenklassen (klein: Länge < 6mm, Breite < 3mm; groß: Länge > 6mm, Breite > 3mm) werden einem Standardtest (ISTA Handbuch 1986) unterzogen, mit Tetrazolium angefärbt und auf die Lebensfähigkeit der Embryonen und des Nährgewebes untersucht.

Austriebs- und Gescheinsbonituren

Zur Untersuchung möglicher Nebenwirkungen werden bei beiden Rebsorten bei jeweils 6 mal 4 Stöcken je Variante Austriebs- und Gescheinsbonituren durchgeführt.

Pollenschlauchuntersuchungen

Zur Klärung des Einflusses von GA3 und Prohexadione-Ca auf die Befruchtung wird das Pollenschlauchwachstum im Griffelgewebe bis zu den Samenanlagen nach der fluoreszenzmikroskopischen Methode von Preil (1970) untersucht, in der Anilinblau als Fluoreszenzfarbstoff zum Nachweis der Kallose in den Pollenschläuchen verwendet wird. Pollenschlauchuntersuchungen finden in allen drei Jahren an den Rebsorten Silvaner und Grauburgunder statt.
Zur Klärung der Sortenabhängigkeit der Pollenschlauchabundanz werden im letzten Jahr bei weiteren neun Rebsorten Pollenschlauchanalysen durchgeführt; bei den Sorten Grauburgunder und Silvaner werden aus je zwei Weinbergen Proben genommen, um mögliche Standortunterschiede zu untersuchen.
Die Pollenschlauchabundanz der einzelnen Sorten wird als Gruppenmittelwerte mit Standardfehlern angegeben.

Verrieselung

Im zweiten und dritten Versuchsjahr werden die verrieselten Fruchtknoten bzw. Beerechen aufgefangen und histologisch im Vergleich mit nicht verrieselten untersucht.

Hormonphysiologische Untersuchungen

Die GA3-behandelte Variante lässt sich nicht auf endogene Gibberellin-Säuren (GA) untersuchen, da der Wirkstoff auch kleinere Mengen anderer Gibberellinsäuren enthält, die im pflanzlichen Hormonstoffwechsel vorkommen. Zur Bestimmung des hormonphysiologischen Status der beiden anderen Varianten, Regalis und Kontrolle, werden bei beiden Rebsorten zum Blühbeginn (BBCH 61), während der abgehenden Blüte (BBCH68), Schrotkorn- (BBCH 73) und Erbsengröße (BBCH 77) der Beeren Proben entnommen, gefriergetrocknet und anschließend die endogenen Gibberellinsäuren extrahiert. Die GCMS-Analysen werden in Kooperation mit Prof. T. Lange an der TU Braunschweig durchgeführt.

Ergebnisse des Projektes

Zusammenfassung

Fluorezierende Pollen auf dem Stempel der Weinrebenblüte und von da einwachsende PollenschläucheZoombild vorhanden

Längsschnitt durch Fruchtknoten der Rebe mit angefärbten Pollenschläuchen

In diesem Forschungsprojekt wurde die präventive Wirkung der beiden Wachstums­regulatoren Gibberellin GA3 (Gibb3®) und Prohexadione-Calcium (Regalis®) auf Botrytis und andere Fäulniserreger untersucht. Neben Untersuchungen zur Traubenstruktur, Botrytisbefall und Ertragsparametern sowie Reifeverlauf und Sensorik, die im Wesentlichen die bekannten Sortenunterschiede bestätigten, standen insbesondere die Ursachen für die starken sorten­spezifischen Reaktions­unterschiede auf die beiden Wachstums­regulatoren im Mittelpunkt dieser Untersuchungen.
Als Modell-Rebsorten dienten der auf GA3 sehr sensibel reagierende Silvaner im Vergleich zum wesentlich robusteren Grauburgunder. In dem 3-jährigen Projekt wurden bei den verschiedenen Varianten mikroskopisch-anatomische Untersuchungen zur Pollenschlauch- und Samenentwicklung an verrieselten und nicht-verrieselten Fruchtknoten durchgeführt. Begleitend wurde der hormonphysiologische Gibberellin-Status der Kontrolle und Regalis®-Variante bis zum Beginn des Traubenschlusses (BBCH 77) bestimmt. Darüber hinaus wurden die einzelnen Varianten auf Nebenwirkungen der einzelnen Wachstumsregulatoren, insbesondere auf den Austrieb und den Gescheinsansatz untersucht.
Unterschiede der Rebsorten

Die sortenspezifischen Reaktionen auf die Wachstumsregulatoren gehen mit unterschiedlichen endogenen GA-Konzentrationen und -Umsätzen einher. Sie lagen beim Grauburgunder um ein Vielfaches höher als beim Silvaner, so dass exogene GA3-Applikationen hier wesentlich geringfügiger in den Hormonhaushalt eingreifen dürften. Die unterschiedlichen pflanzeneigenen GA-Konzentrationen der beiden Rebsorten korrespondierten mit den sortenspezifischen Unterschieden in der Anzahl einwachsender Pollenschläuche, die beim Grauburgunder wiederum wesentlich höher ist. Die Ergebnisse vergleichender Pollenschlauchuntersuchungen eines breiten Spektrums weiterer Rebsorten belegen, dass GA3-sensible Sorten insgesamt eine deutlich geringere Anzahl einwachsender Pollenschläuche zeigen als robustere Sorten, so dass möglicherweise einfache mikroskopische Pollenschlauchanalysen Hinweise auf die GA-Sensitivität einer bisher nicht getesteten Rebsorte geben können.

Histologische Ergebnisse

Die genannten Ergebnisse stehen im Einklang mit den histologischen Untersuchungen, die bei der Entwicklung der Samenanlagen ebenfalls starke sortenspezifische Unterschiede ergaben. Der Silvaner hatte mit im Schnitt knapp zwei befruchteten Samenanlagen pro Fruchtknoten bei den am Rappen wachsenden Beerchen bei allen Varianten eine deutlich geringere Befruchtungsrate als der Grauburgunder mit 3-4 befruchtete Samenanlagen je Fruchtknoten, die im Zusammenhang mit der Anzahl einwachsender Pollenschläuche stehen könnte; ein Teil der am Rappen befindlichen Fruchtknoten wies beim Silvaner sogar völlig unbefruchtete Samenanlagen auf, während beim Grauburgunder kein einziger derartiger Fall beobachtet wurde. Auffallend war, dass sich beim Silvaner alle befruchteten Samenanlagen zu Kernen weiterentwickelten, während beim Grauburgunder bei fast der Hälfte der Samenanlagen ein Abbruch der Entwicklung befruchteter Samenanlagen stattfand, so dass zur Reife im Schnitt nicht mehr Kerne pro Beere gebildet wurden als beim Silvaner. Auch bei den verrieselten Fruchtknoten waren ähnlich sortentypische Unterschiede wie bei den untersuchten Fruchtknoten am Rappen zu beobachten: der Prozentsatz unbefruchteter Samenanlagen pro verrieselten Fruchtknoten war beim Silvaner deutlich höher als beim Grauburgunder. Der Anteil gänzlich unbefruchteter Fruchtknoten dominierte beim Silvaner und lag mit 60% wesentlich höher als beim Grauburgunder.

Seit Beendigung des Projektes laufen jährlich Versuche und Beobachtungen zum Themenbereich Wachstumsregulierung zur Prävention vor Fäulnis, deren Ergebnisse in die aktuellen Beratungsaussagen im Weinbaufax Franken einfließen. Da diese Maßnahmen zu einer Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln führen können, dienen sie den Ziele des Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP).

Veröffentlichungen

  • BÖLL,S., HOFMANN,H., SCHWAPPACH,P. 2009. Einsatz der Wachstumsregulatoren Gibb3 und Regalis – warum Sorten unterschiedlich reagieren. Rebe & Wein 5/2009: 24-27.
  • BÖLL,S., HOFMANN,H., SCHWAPPACH,P. 2009. Ursachenforschung zur sortenspezifischen Wirkung von Wachstumsregulatoren auf verschiedene Rebsorten. Südtiroler Z. f. Obst- und Weinbau 46/2009 2
  • BÖLL, S., HOFMANN, H., SCHWAPPACH, P. 2009. Wirkung von Gibb3 und Regalis auf verschiedene Rebsorten. Obstbau & Weinbau 2/2009: 82-84.
  • BÖLL, S., LANGE, T., HOFMANN, H., SCHWAPPACH, P. 2009. Correspondence between gibberellin-sensitivity and pollen tube abundance in different seeded vine varieties. Mittlg. Klosterneuburg 59/2009:129-133
  • BÖLL, S., HOFMANN, H., SCHWAPPACH, P. 2009. Rebsortenspezifische Unterschiede in Fertilitätsparametern und ihre Bedeutung für die Anwendung der Wachstumsregulatoren GA3 und Prohexadion-Calcium. Mittlg. Klosterneuburg 59/2009:209-216

Projektinformationen
Projektleitung: Prof. Klaus Wahl (LWG-Weinbau)
Projektbearbeiter: Dr. Susanne Böll (Weinbau-W3)
Laufzeit: 1.1.2005 - 31.12.2007
Finanzierung: FDW (Forschungsring Deutscher Weinbau)
Förderkennzeichen: FDW 8503.187