Pflanze des Monats
Die Salweide (Salix caprea) – Hotspot der Artenvielfalt

Männliche Blütenkätzchen der Salweide vor dem Aufblühen
Weiden sind wahre Insektenmagneten. Studien zeigen, dass sich ca. 500 Insektenarten hauptsächlich von Weiden ernähren. Zählt man noch die Räuber und Parasitoide der an Weiden futternden Insekten dazu, finden sich im Jahresverlauf über 1000 Arten der „Sechsbeiner“ auf Weidenbäumen ein.

Weiden gehören zu den zweihäusig getrenntgeschlechtlichen Baumarten. Dies bedeutet, die Bäume tragen entweder nektarreiche weibliche Blüten oder mit Pollen vollgepackte männliche Staubgefäße. Männliche Weidenbäume erkennt man an den flauschigen, silbrig glänzenden Weidenkätzchen, die sich nach dem Aufblühen als leuchtend gelbe Pollenquellen präsentieren. Und die man eigentlich korrekterweise als Weidenkaterchen bezeichnen müsste
Wie sich dieses Jahr gut beobachten lässt, beginnt die Salweide nach einem milden Winter bereits im März zu blühen. Für Wildbienen, die ebenfalls früh im Jahr bereits fliegen sind Salweiden die Existenzgrundlage. Überwinternde Hummelköniginnen füllen am Blütennektar der Weiden ihre durch den Winter erschöpften Energiereserven wieder auf. Und der eiweißreiche Weidenpollen bildet als erste Futterquelle des Nachwuchses das Startkapital für eine erfolgreiche Nestgründung.

Aufgrund der herausragenden Bedeutung als Nahrungsquelle vieler Wildbienenarten dürfen wilde Weidenkätzchen-Zweige zwischen dem 1. März und dem 30. September nicht abgeschnitten werden. Zuwiderhandlungen sind eine Ordnungswidrigkeit und können mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro belegt werden.

Doch nicht nur Nektar und Pollen der Salweide sind begehrt. Salweidenblätter sind für über 30 Schmetterlingsarten die wichtigste Raupennahrung. Der Große Schillerfalter ist wohl der bekannteste Salweiden-Spezialist unter den Schmetterlingen. Weidenkarmin, Salweiden-Wicklereulchen und Weiden-Kahneulchen sind weitere klangvolle Vertreter der Raupen-Feinschmecker. Und viele weitere Insekten tragen ebenfalls die Weide in ihrem Namen: Weidenknopfhornblattwespe, Weiden-Sandbiene, Gefleckter Weidenblattkäfer, Weidenbohrer, Weiden-Erzschwebfliege… alles Hinweise, auf die herausragende Bedeutung der Weiden für unsere heimischen Insekten.

Kolibris in Franken?

Bei nektartrinkenden Vögeln hat man eigentlich das tropische Bild der grazilen Kolibris aus Südamerika vor Augen. Im Schwirrflug vor Blüten in der Luft regelrecht „stehend“, lecken und saugen sie mit Hilfe ihrer langen Zunge Nektar um ihren extrem hohen Energiebedarf zu decken.
Doch auch einige unserer heimischen Vogelarten naschen gerne süßen Nektar. Und hier spielt wieder die Salweide eine entscheidende Rolle. So ist die Rückkehr des Zilpzalps – sein anderer Name ist Weidenlaubsänger – eng mit der nektarreichen Blütezeit der Salweide gekoppelt. Auch Blau- und Schwanzmeisen suchen bevorzugt blühende Salweiden für die Nektarspeise auf. Die Bedeutsamkeit der Salweide liegt an ihrer weiten Verbreitung. So liefert sie europaweit Vogelarten wertvolle und energiereiche Nahrung.

Viel hilft viel

Bei all den Tierarten, die an den Weidenblättern, der Rinde oder den Blüten und Pollen knabbern und futtern ist es eigentlich ein Wunder, dass die Bäume nicht komplett kahl dastehen. Doch Bäume und Pflanzen sind Pflanzenfressern nicht hilflos ausgeliefert. Wird der Fraßdruck zu hoch, beginnen Pflanzen Bitter- oder Giftstoffe zu produzieren, um den eifrigen Pflanzenfressern wortwörtlich den Appetit zu verderben. Ein bekanntes Beispiel ist die Tabakpflanze. Werden ihre Blätter zu stark abgefressen, wird in den Wurzeln das Pflanzengift Nikotin gebildet, in die Blätter transportiert und dort eingelagert. Die nun giftigen Blätter werden gemieden. Hungrige Pflanzenfresser wandern auf der Suche nach genießbarem Futter weiter.

Siegeszug des Salicins

Weiden setzen ebenfalls auf die bittere Abwehrstrategie. Die Blätter und vor allem die Weidenrinde enthalten Salicin, das zur großen Gruppe der Polyphenole zählt. Salicin wird bei Aufnahme durch Stoffwechselprozesse zu Salicylsäure umgewandelt. Diese wirkt nachweislich fiebersenkend, schmerzstillend und entzündungshemmend.

Die Heilwirkung der Weide war bereits in der Antike bekannt. 1828 konnte der Wirkstoff Salicin erstmals aus der Rinde isoliert werden. 10 Jahre später wurde die Salicylsäure entwickelt und Ende des 19. Jahrhunderts das weltbekannte Schmerzmedikament Acetylsalicylsäure (ASS) „erfunden“.

Im Gegensatz zu ASS hat die reine Salicylsäure keinen Einfluss auf die Blutgerinnung und kann daher nicht zur Herzinfarktprävention eingesetzt werden. Da die Salicylsäure jedoch auch keine Blutungen im Magen-Darm-Bereich auslöst wird sie mit sehr guter Verträglichkeit bei Rheuma- und Arthritispatienten eingesetzt.

Weide der Winzer

Nicht nur als natürliche „Apotheke“ werden Weiden seit dem Mittelalter genutzt. Vor der Verwendung von Bindedrähten aus Draht und Kunststoff und den Hilfsmittel Bindezange zog man die Reben mit Weidenruten nieder. Diese Arbeit wurde traditionell von Winzerfrauen und Helferinnen durchgeführt. Im März und April gingen die „Heften-Weiber“ mit Bündel von gut gewässerten Weidenruten und einem kleinen scharfen Messer in den Weinbergen an die Arbeit. Aus diesem Grund findet man oft Weiden in größerer Zahl in der Nähe von Weinberganlagen oder Winzerhöfen. Doch das Handwerk der „Heften-Weiber“ ist größtenteils verloren gegangen. Nur in wenigen fränkischen Weinbergen setzt man noch auf das natürliche Bindematerial Weide.
Weidenkätzchen in leuchtend gelbe Pollenpakete verwandelt. Für viele frühe Wildbienenarten ist dies die erste Nahrungsquelle nach dem Winter.

Männliche Blüten

Im Gegensatz zu den auffälligen gelben Blüten sind die nektarreichen weiblichen Blüten eher unauffällig.

Weibliche Blüte

Weidenklang -  niedergezogene Rebe mit Weide als Bindematerial.

Weidenklang

Weidenklang im historischen Weinberg mit Frühjahrsblühern

Im alten Weinberg

Durch regelmäßigen Schnitt der Weidenruten bildet sich ein "Kopf" im oberen Stammbereich

Kopfweide